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Volltext: Monatszeitschrift VIII (1905 / Heft 2)

Oder man sehe das Bravour- 
stück der drei Misses Hunter, 
welches einem unwillkürlich den 
Vergleich mit einem kunstvoll 
arrangierten Blumenbukett auf- 
drängt. Die Schwestern - man 
beobachtet wieder die Entwick- 
lung der auf den Grundzügen der 
Familienähnlichkeit entwickelten 
Individualität - sitzen in natür- 
lichster Weise auf einem jener 
abscheulichen, kleeblattartig kon- 
struierten Möbelstücke, die um 
die Mitte des vorigen Jahr- 
hunderts in Mode waren und die 
einem weniger genialen und 
findigen Künstler eine dekorative 
Komposition unmöglich gemacht 
hätten. Für Sargent gibt es eben 
keine Schwierigkeit. Er kann es 
wagen, seine Damen in Farben 
zu kleiden, die an und für sich 
das Auge beleidigen, von seinem 
Pinsel aber nicht nur annehmbar, 
sondern geradezu dem Auge gefällig gemacht werden. So malte er vor 
Jahren eine Mrs. Hammersley in einer Toilette, deren haarsträubende Farbe, 
ein giftiges rosa-violett-rot, sich nicht mit Worten bezeichnen läßt und 
welche seither als „Sargent-Rot" bekannt geworden ist, und gerade dieses 
Bild ist eines seiner unübertrefflichsten Meisterwerke. 
Einen ganz anderen Typus wieder führt uns Sargent in seinem Bildnis 
der Mrs. Charles Russell vor. Das feine Gesicht strahlt hier nicht von 
Gesundheit und Lebensfreude, sondern erzählt uns von zarten Nerven, 
Müdigkeit und überstandener oder bevorstehender Krankheit. Ebenso die 
blassen, langen Finger der gefalteten Hände. Bei alledem ist der Ausdruck 
des mit einer den zarten Zügen angepaßten nervösen Pinselführung gemal- 
ten Gesichtes rnit den schweren Augenlidern ungemein sympathisch und 
anziehend. 
Es würde zu weit führen, die ganze Reihe von Sargents Triumphen 
auf dem Gebiete des Frauenporträts anzuführen. Es mag genügen, unter 
seinen hervorragendsten Werken dieser Art die Bildnisse der Herzogin von 
Portland, der Herzogin von Sutherland, der Mrs. Joseph Chamberlain, der 
Mrs. Carl Mayer, der Lady Hamilton und der Lady Faudel-Phillips zu nennen. 
Wenn Sargents Popularität in großem Maße seinen Darstellungen von 
Frauenschönheiten zuzuschreiben ist, sind seine Männerbildnisse nicht 
 
John Singer Sargent, Mrs. Charles Russel
	        
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