Großes Tempeltor In Nikko (Yomeimon)
dabei eine große und natürliche Rolle. Man braucht nur an die herrlichen
alten Kryptomerien-Alleen zu denken, die wie in Nikko oft meilenlange
Zufahrtstraßen begleiten; man braucht nur eine Abbildung des merkwürdigen
Kiyomizutempels in Kioto zu betrachten, der so in das gebirgige Terrain
hineingestellt ist, daß einzelne Teile freischwebend über grünen Schluchten
errichtet werden mußten, um die Kühnheit und Meisterschaft der Japaner in
der Anpassung an die Natur zu bewundern. Wenn auch das angewendete
Bausystem für europäische Augen etwas Unentwickeltes und Zurück-
gebliebenes an sich trägt, so eignet es sich doch gerade durch seine Ein-
seitigkeiten wieder vorzüglich zu dieser unvergleichlichen Einfügung in die
landschaftliche Umgebung. Wie dort das Menschenwerk mit den Schöpfungen
der Natur zusammenwächst und zwar nicht bloß als Ruine, sondern gerade
im vollen Glanze seiner bewußten und sicheren Durchführung, das ist ein
Vorzug japanischer Baukunst, von dem Europa, gerade das heutige, noch
manche gute Lehre empfangen kann; vergangene Epochen, wie das
XVIII. Jahrhundert haben diese Grundsätze zu beherzigen verstanden, diese
Lehren gut gekannt, bis sie wieder vergessen wurden.
Wenden wir uns nun zu den einzelnen Elementen des baulichen
Apparates, mit dem diese Wirkungen erzielt wurden, so tritt uns wieder das
konservative Festhalten der Japaner an uralten Motiven entgegen - ander-
seits aber auch die außerordentliche handwerkliche Geschicklichkeit, mit der
die Techniken der Steinbearbeitung, der I-Iolzskulptur, der Metallüberzüge,
desGusses und der Lackbereitung sowie der Polychromierung beherrscht sind.