Wenig Vergnügen machen auch die etwas bunten, märchenhaften redseligen Appli-
kationen nach Walter Craneschen Legenden- und Sagenmotiven.
Mühe und Arbeit und großer Materialwert steckt in einem mächtigen Paravent,
doppelseitig in Leder geschnitten, schwer gerahmt mit Metallecken. Übertragener
Foliantenstil ist das, treufleißig, aber ohne jeden Persönlichkeitsreiz im Archaismus.
Auch der Schaukasten für die Frauentracht enthält nichts unbedingt Bestechendes.
Unsere deutschen Entwürfe von Elisabeth von Hahn zum Beispiel und Elsa Oppler
scheinen reiner und ruhiger im Geschmack als die fatal an Maskerade mahnenden Bunt-
heiten dieses englischen Imports.
Durch ihre Details aber fällt hier Jessie l-Iössel auf. Von ihr sind Einzelstücke, Seiden-
Bächen mit landschaftlichen Vignettenwerk in Stickerei dekoriert worden, das hohen Reiz
hat. Blütenbäume von zarten Filigranastwerk der zierlichen Stämme, weiß überrieselt, malt
sie mit der Nadel in meergrünem Grund und die Grazie der Handschrift erinnert an
Vogelers und Karl Walsers subtil haarfeine Federzüge.
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Im Kupferstichkabinett ward eine außerordentlich anregende Ausstellung von jaro
Springer inszeniert und mit belehrendem Geleitwort erläutert. Thema ist: „Das weibliche
Bildnis in Kupferstich, Holzschnitt und Lithographie vorn XV. bis zum XX. Jahrhundert."
Am Eingang dieser fesselnden Frauengalerie steht ein Blatt, das Springer als eine
„wahre Inkunabel des Kupferstiches" bezeichnet. Es ist ein italienischer Stich aus der
frühen Zeit um 1450 und stellt eine junge Dame mit reichern Kopfputz dar. Weniger
durch die Charakteristik, die allgemein typisch gehalten ist, erscheint er so bedeutsam als
durch die ornamentale Behandlung des Kopfschmuckes. Der gleicht dem Ornamentstich
eines Geschmeides und zeigt offenbare Goldschmiedetechnik. Dieses Verfahren bringt
unbewuBt, aus seiner handwerklichen Beziehung heraus, jene Filigranreize, das Juwelier-
hafte, die zierenden Golddrahtlinien, die wir heute bei sehr raffinierten Schmuckkünstlern,
bei Aubray Beardsley, Somoff, Karl Walser bewußt angewendet finden.
Reich vertreten ist das XVII. jahrhundert, die „klassische Zeit des Porträtstiches",
aus allen Reichen, vornehmlich aus den Niederlanden. l-Iendrick Goltzius und Hieronymus
Wierix führen hier und die Stechersuite der Rubens und van Dyck folgen. Unter Anton
van Dycks Regie erschien ein großes Porträtwerk, „die Ikonographie des van Dyck", das in
Kupferstichen nach des Meisters Vorlagen die Bildnisse berühmter Zeitgenossen enthält.
Eine ausgesprochene Vorliebe für malerische Wirkungen zeigt sich und nur selten
tritt der zeichnerische Linienstich in Holland auf. Cornelis Vischer in seinem Abbild der
ersten Gemahlin des großen Kurfürsten (nach einem Gemälde von Honthorst) erreicht
tiefe und farbige Wirkung, die fast an die Radierung erinnert, und ihm verwandt ist jonas
Suyderhoef.
In Frankreich findet man in einem Stecher die virtuose Ausbildung der Linienkunst,
in Claude Mellan. Er arbeitet nur mit parallelen Linien, sie kreuzen sich nie und durch
das Verhältnis der dünneren Striche zu den dickeren erreicht er die Modellierung. An die
diskreten Raffinements der Hellkunst denkt man bei ihm manchmal. Die gleichzeitigen
französischen Stecher des Siecle Louis XIV stehen der niederländischen Art näher. Von
ihnen hat hervorragende Bedeutung der in Paris arbeitende Antwerpener Gerard Edelinck,
der vorbildlich für die andern wirkt. Aus dieser Gruppe ist zu erwähnen das lebendige
Porträt der Liselotte von Charles Simonneau nach I-Iyacinthe Rigaud und das der Adrienne
Lecouvreur von Pierre Drevet nach Coypel.
Die reichste Ernte h'a'lt die Sammlung natürlich im XVIII. jahrhundert. Vollendete
technische Kunst in der Wiedergabe der Salonszenerie, der Gewänder und des gesell-
schaftlichen Apparates zeigen die französischen Blätter. Moderne Kunst ist in diesen
Bildern vom Hofe Louis XV, den Porträten der jungen Königstochter, die als Nonne starb,
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