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Franziska Hofmanninger, Studie
Horizontlinie, den Zauber der kleinen Rembrandtschen
Radierungen verleiht. Auch Figurenstudien, ein Hof
mit Blumen, ein Stück Architektur, so im Vorbeigehen
erfaßt, haben seinen spezifischen Reiz. Auch die
Schwaigerschen Studien zu seinem Wiedertäuferbilde
sind voll Charakter. Die hastige Bleistiftstudie eines
Strolches, vom Gürtel abwärts, also bloß seine vielfach
geilickte Hose (alles heißt schon Hosel), an deren
Flicken man jeden Nadelstich bemerkt, und seine ebenso
integren Bundschuhe, ist der Mappe jedes Fein-
schmeckers würdig. Andere solche Halbi-lguren, in
Farbe, amüsieren durch die knorrige Vertracktheit der
Brüche und Falten, in denen sich besagte Kleidungs-
stücke an den unteren Extremitäten eines solchen
Gesellen ergehen. Der Künstler hat für solche Dinge ein
Auge, wie kein zweiter.
ER SCHRECKENSTAG VON ST. PE-
TERSBÜRG. Unter diesem Titel haben Adal-
bert v. Kossak und Hans Temple eine ungewöhnlich
große Szene gemalt, die jetzt im Künstlerhause aus-
gestellt ist und dann Europa bereisen soll. Die blutige
Szene vom zmjanuar rgo5, mit den Kosaken, die in
die demonstrierende Menge hineinreiten, Priester Gapon
als Hauptfigur. Die Künstler haben Ort und Menschen
in Petersburg studiert und ein rechtes Tableau für die
Menge geschaffen. Der Schauplatz ist vor dem Winter-
palast, dessen bleiche Massen sich weithin strecken,
während der rosige Granit der Alexandersäule in die
sonnige Winterluft steigt. Alles ist mit frischem Schnee
verbrämt, auf dem die dunklen Figuren sich abheben.
Sehr geschickt ist die Volksmenge im Hintergrunde
gegeben, auf deren Köpfen der Sonnenschein spielt.
Die Hauptgruppe aber ist doch nicht bedeutend genug
und malerisch wenig belebt; einige Kosaken auf
gebäumten Rossen sind als Studie gut. Als zeitgeschicht-
liche Illustration wird das Bild vermutlich Anklang
finden, künstlerisches Interesse (als farbiges Problem,
Stimmung, Urwüehsigkeit des Vortrages und so fort)
weckt es nicht.
ETER BREITHUT. Eine Riesenplaque, 1-50
zu rzo m, so könnte man die jüngste Porträt-
arbeit Peter Breithuts nennen. Sie stellt den alten Michael
Thonet vor, den Begründer der österreichischen Welt-
industrie des gebogenen Holzes. Als Arbeiterkönig, der
er war, ist er dargestellt, er selbst ein schöpferischer
Großarbeiter in Hemdärrneln, mit seinen zum Biegen
bestimmten und schon gebogenen Hölzern hantierend.
Der ganze Schwung der physischen Arbeit ist in der
Figur, die in bewegter Diagonale den Raum füllt. Das bärtige Antlitz hat den Ausdruck
einer Tatkraft, die durchsetzt und beherrscht. Als Quellen für das Bildnis dienten alte