Mittelalterlicher Fachwerksbau aus Frankreich (Abbeville, maison Francois I)
Drittel des XVI. Jahrhunderts. Der gotische knitterige Faltenwurf auf dem
Holzschnitt hat einem leichten Fluß der Gewandung auf unserem Relief
Platz gemacht. Aus allem ist zu entnehmen, daß die Platte, ein Werk der
Frührenaissance, vor 1540 entstanden ist.
Auf dem Kreuzesstamm und unter den Füßen des Kruzifixus sind an
einem Mittelstab die beiden Buchstaben G und B angeordnet. Sie sind
nicht erhaben wie die Legende am oberen Rand der Tafel, sondern ein-
geschnitten, waren daher in der I-Iohlform nicht vorhanden und repräsen-
tieren also die Marke des Hafners. Sie läßt sich mit keinem der vorhin
genannten Wiener Meister in Verbindung bringen; doch fehlt gerade für
unsere Zeit die geschlossene Folge der Bürgerbücher im Archiv der Stadt
Wien und so kann die Reihe der I-Iafnermeister keinen Anspruch auf Voll-
ständigkeit erheben. Unter der Marke des I-Iafners ist auf der Platte noch
ein W sichtbar, welches hier wohl „Wien" bedeutet. Hiezu tritt noch die
Herkunft des Stückes aus Sievering.
Fehlen uns auch weitere Belege für eine frühe künstlerische Betätigung
der Wiener Hafnerwerkstätten, so war und ist Wien an späteren plastischen
Arbeiten dieser Art reicher als irgend eine andere deutsche Stadt. Wir
erinnern an die von Bucher erwähnte Relieftafel aus dem XVII. Jahrhundert
mit der Darstellung des heiligen Abendmahls, wonach ein Wiener Haus
den Namen „zum Abendmahl" erhielt. Weiters an das Haus „zu den
I2 Aposteln" am Hafnersteig (früher Nummer 715, neu Nr. 7), welches mit
13, einen halben Meter hohen Figuren - Christus und die zwölf Apostel mit
ihren Leidenswerkzeugen - in Mauernischen geschmückt war. (Abgebildet