Sehr pikant ist es, wenn Aubert das
feinfädige Schleiernetzgewebe des Grun-
des oft durch weitmaschigere Partien
unterbricht. Auf diesen weiteren Zellen-
grund schwimmen abgetönte groß-
glockige Blütenkelche, während auf dem
engfadigen Grund zierliche Knospen-
impressionistisch leicht hingeweht er-
scheinen. Die moderne Handschrift Au-
berts zeigt sich auch in der Art, wie er
Blütenwerk als Bordüre und Randsaum
anordnet. Wie sich da Stengel und
Zweige einander neigen, sich verbinden,
veriiechten, zusammenwachsen, ver-
schlungen weiter sprießen, das erweckt
die Illusion natürlich organischer Bewe-
gung; Fluß und Leben sind in diesem
Reigen.
Aubert erzielt in der so streng ge-
setzmäßig gebundenen Spitze gewisse
Reize des freien Spieles, eine Grazie tän-
delnden I-Iinstreuens. Etwas völligNeues
gelang ihm in dem Orchideenfächer, auf
dem er mit unbeschreiblich leichtem
Wurf die pittoresken Kelche mit ihren
Flügelblättern arrangiert, als Flächen-
muster, von Flatterbändern umweht.
Auch die Vorliebe zum vereinfachten
linearen Ornament spricht eine Aubert'
sche Spitze aus. Sie stellt ein kurvig ge-
schlängeltes Saurnband dar, aus feinem
Netzgrund, in dem sich Bandwerk kräu-
selt und unregelmäßige Kreise in der Art von Baumringen aus gröberem Netzgespinnst
umschließt. So schlicht dies ist, so apart wirkt es, zumal die Farbentönung alle
Bewegungen des Seidenfadens schimmernd pointiert. Die Aubertschen Spitzenkünste
konnte man freilich in der Fächerausstellung ausgiebiger würdigen als in der Spitzen-
ausstellung und ähnlich ging es mit den modernen österreichischen Spitzen.
Von diesen bewunderungswürdigen Arbeiten, die mit so sicherem Takt floreale Vor-
bilder dem Material und der Technik entsprechend umsetzen, die phantasievoll für die
Künste des verschlungenen Fadens, die vielfältigen gleich verzweigten Miniaturbäumen
durcheinander gewirrten und doch harmonisch gegliederten Wuchstriebe der PBanzen
verwenden, die ihre Randauszackungen als kraftvolle Ausstrahlungen der Innenornamente
behandeln und prachtvoll organisch eine Spitzenvegetation voll kletternder Freiwüchsig-
keit treiben läBt, von solcher Kunst und solcher Arbeit kann man freilich Wien, das dafür
selbst die erlesensten Ausstellungen bot, nichts Neues erzählen.
Eine fesselnde Gastausstellung fand im Kaiser Friedrich-Museum statt. Sie brachte
die Sammlung Carstanjen zur Schau. Ihr Stolz sind die Rembrandts. Ein Ecce homo in
weichen Goldtönen und der Prediger Sylvius vom Jahre 1645, sehr edel und weihevoll in
der großgelassenen Haltung des Sitzenden im breiten Pelzkragen, mit dem aufgeschlagenen
Buch, im Gegensatz zu dieser ausgeglichenen Ruhe ein kühn und wild hingeworfenes
Bild der späten Jahre, aus dem Dunkel auftauchend ein Mann mit grinsend verzerrten
Ziigen in braungelb dickfieckigen Tönen hingehaun, mit Lichtfiecken über Rock und Mütze.
Rumänin, Flachs spinnend, aus der Gegend von Hitoka-
Dragornirna. Nach einer Originalaufnahrne aus der
k. k. Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien