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Volltext: Monatszeitschrift IX (1906 / Heft 1)

Sehr pikant ist es, wenn Aubert das 
feinfädige Schleiernetzgewebe des Grun- 
des oft durch weitmaschigere Partien 
unterbricht. Auf diesen weiteren Zellen- 
grund schwimmen abgetönte groß- 
glockige Blütenkelche, während auf dem 
engfadigen Grund zierliche Knospen- 
impressionistisch leicht hingeweht er- 
scheinen. Die moderne Handschrift Au- 
berts zeigt sich auch in der Art, wie er 
Blütenwerk als Bordüre und Randsaum 
anordnet. Wie sich da Stengel und 
Zweige einander neigen, sich verbinden, 
veriiechten, zusammenwachsen, ver- 
schlungen weiter sprießen, das erweckt 
die Illusion natürlich organischer Bewe- 
gung; Fluß und Leben sind in diesem 
Reigen. 
Aubert erzielt in der so streng ge- 
setzmäßig gebundenen Spitze gewisse 
Reize des freien Spieles, eine Grazie tän- 
delnden I-Iinstreuens. Etwas völligNeues 
gelang ihm in dem Orchideenfächer, auf 
dem er mit unbeschreiblich leichtem 
Wurf die pittoresken Kelche mit ihren 
Flügelblättern arrangiert, als Flächen- 
muster, von Flatterbändern umweht. 
Auch die Vorliebe zum vereinfachten 
linearen Ornament spricht eine Aubert' 
sche Spitze aus. Sie stellt ein kurvig ge- 
schlängeltes Saurnband dar, aus feinem 
Netzgrund, in dem sich Bandwerk kräu- 
selt und unregelmäßige Kreise in der Art von Baumringen aus gröberem Netzgespinnst 
umschließt. So schlicht dies ist, so apart wirkt es, zumal die Farbentönung alle 
Bewegungen des Seidenfadens schimmernd pointiert. Die Aubertschen Spitzenkünste 
konnte man freilich in der Fächerausstellung ausgiebiger würdigen als in der Spitzen- 
ausstellung und ähnlich ging es mit den modernen österreichischen Spitzen. 
Von diesen bewunderungswürdigen Arbeiten, die mit so sicherem Takt floreale Vor- 
bilder dem Material und der Technik entsprechend umsetzen, die phantasievoll für die 
Künste des verschlungenen Fadens, die vielfältigen gleich verzweigten Miniaturbäumen 
durcheinander gewirrten und doch harmonisch gegliederten Wuchstriebe der PBanzen 
verwenden, die ihre Randauszackungen als kraftvolle Ausstrahlungen der Innenornamente 
behandeln und prachtvoll organisch eine Spitzenvegetation voll kletternder Freiwüchsig- 
keit treiben läBt, von solcher Kunst und solcher Arbeit kann man freilich Wien, das dafür 
selbst die erlesensten Ausstellungen bot, nichts Neues erzählen. 
Eine fesselnde Gastausstellung fand im Kaiser Friedrich-Museum statt. Sie brachte 
die Sammlung Carstanjen zur Schau. Ihr Stolz sind die Rembrandts. Ein Ecce homo in 
weichen Goldtönen und der Prediger Sylvius vom Jahre 1645, sehr edel und weihevoll in 
der großgelassenen Haltung des Sitzenden im breiten Pelzkragen, mit dem aufgeschlagenen 
Buch, im Gegensatz zu dieser ausgeglichenen Ruhe ein kühn und wild hingeworfenes 
Bild der späten Jahre, aus dem Dunkel auftauchend ein Mann mit grinsend verzerrten 
Ziigen in braungelb dickfieckigen Tönen hingehaun, mit Lichtfiecken über Rock und Mütze. 
 
Rumänin, Flachs spinnend, aus der Gegend von Hitoka- 
Dragornirna. Nach einer Originalaufnahrne aus der 
k. k. Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien
	        
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