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Volltext: Monatszeitschrift IX (1906 / Heft 2)

 
Figuren, von denen die des Satteldaches 
nicht mehr erhalten sind, stellen auf den 
älteren Schmalseiten Christus als Rächer 
und als Beschützer dar: hier über zwei 
mit Krummstäben und Evangeliarien als 
Mönche gekennzeichnete Gestalten, die 
Kronen des Lebens haltend, dort mit Szepter 
und aufgeschlagenem Bibelkodex nach einem 
bekannten Psalterworte auf Drachenköpfen 
schreitend. 
Das Römisch-Imperatorenhafte, das 
hier in dem verhältnismäßig gut gefältelten 
Pallium sich kundgibt, die strenge Fron- 
talität und Symmetrie dieser beiden Schmal- 
seiten, die Kreuznimben mit überragenden 
Balken, die viel zu dicken Köpfe mit gleich- 
mäßig herausziselierten Augenschematen, 
und den feinen spiralig endigenden Bart- und 
4 Stirnlocken strengster Zeichnung, das an den 
Die Lüttich" Stadgsäule Körper gepreßte, mit ondolierenden Falten 
bedeckte Gewand und endlich die teilweise 
noch der Antike entlehnten, allerdings stark schematisierten Stand- und 
Bewegungsmotive müssen auf byzantinische Einüüsse zurückgeführt werden. 
Weniger steif sind die zweimal vier Darstellungen der Längsseiten aus der 
Legende St. Hadelini, die sich in von Säulen der Übergangszeit mit Blatt- 
kapitellen getrennten Feldern befinden. Häufige metrische Inschriften sowohl 
auf der Goldblechborte als auf den in Silber getriebenen Bildplatten selbst 
sollen die I-Ieiligengeschichte erklären. Ist doch auch hier - wie bei aller 
mittelalterlichen Kunst - das Charakteristische der Situation nur durch 
Stellung einer gewissen Anzahl ikonographisch fixierter Personen und durch 
ganz typische Gebärden ohne jede physiognomische Individualitätsunter- 
schiede mit nur wenig differenzierter Kopfhaltung gegeben, obwohl sich hier 
- sehr im Gegensatz zu den älteren Teilen des Schreines - ein ent- 
schieden bewußtes Streben nach Realität, nicht nach Komposition kundtut. 
Dieses Streben zeigt sich vor allem in einem deutlichen asymmetrischen Aus- 
biegen aus der Körperachse, in einer Bevorzugung von Dreiviertelprofil- 
stellungen der teils fast freiplastisch herausgearbeiteten Gestalten, in den 
Gruppenbildungen der Figuren, von denen die über die vorderen hervor- 
ragenden hinteren den Raumtiefeneindruck verstärken sollen, und vor allem 
in der Landschaft: Während die Fältelung der Gewänder, als weiter von 
Byzanz, wie die Schmalseiten entfernt, noch viel schematischer als dort 
ausgefallen und allein die neu nach der Natur beobachteten Kleidungsstücke, 
wie Schuppenpanzer, Topfhelm, Mantelbordüren, Szepter und Kronen er- 
freulicher sind, hat der Künstler in der Landschaft, in der er ebenfalls von
	        
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