Material durch sich
selbst wirken lassen
wollte". Wir wissen,
daß mit solchen An-
schauungen der antiken,
der byzantinischen und
der Kunst der deutschen
Goldschmiede ein Ende
gemacht worden ist.
Nicht viel besser als
der Nihilismus tritt in
der Grabplastik wie in
der Möbelindustrie der
„jugendstiWaufGleiche
Ursachen haben hier
gleiche Wirkungen. In
beiden Gebieten liegt
das Massengeschäft in
den Händen von Kauf-
leuten, die ein großes
Warenlager und einen
kleinen Musterzeichner
halten. Dieser ist aus
irgend einer Gewerbe-
schule hervorgegangen,
nennt sich „Architek " und wird durch einige Fachblätter stets auf dem
Laufenden gehalten. Er erfährt aus ihnen die Mode von morgen und weiß
das Eigenartigste, das Aparteste durch noch kühneren Linienschwung zu
überbieten. „Nur ja nicht kopieren, selbständig schaffen!" gilt ja heute, die
Selbständigkeit und Originalität geht über Schönheit und Zweckmäßigkeit.
Die Entwürfe solcher unreifer Jünglinge werden nicht nur im eigenen
Geschäft ausgeführt, sondern auch in Zeitschriften und Sammelmappen ver-
öffentlicht. Die Kleinmeister und Maitres dessinateurs drehen sich vor
Schreck über solche Nachfolger im Grabe um. Gerade auf dem Gebiet der
Friedhofskulptur sind in den letztenjahren einige Sammlungen von Entwürfen
erschienen, bei deren Durchblättern man in Zweifel darüber gerät, ob man
mehr die Geschmacksroheit oder die Dreistigkeit junger Leute bedauern soll,
unter dem Deckmantel des Neuen den Anlauf zum selbständigen Schaffen in
unserer Kunstindustrie in Verruf zu bringen. Die bald komischen, bald
brutalen Formen der Grabplatten, Säulen, Kreuze und Phantasie-Bau-
werke erhalten eine konfus verschnörkelte, kaum leserliche Schrift, in
welcher ohne Not massenhaft Ligaturen und Einschachtelungen auftreten,
die schwieriger aufzulösen sind, als solche in mönchischen Manuskripten.
Das Gefühl für den ornamentalen Charakter der Schrift, welcher in den
F. Hausmann, Grabstätte
22