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Volltext: Monatszeitschrift IX (1906 / Heft 3)

reichen Zusammenhang zu rücken. Das geschah besonders für die Hamburger Gegend, 
die große Überraschungen bietet. 
Der jahrhundertbogen spannt sich von 177 5 - 187 5. Chodowiecki, Anton Graff, 
Philipp Hackert, Angelika Kaufmann stehen zu Beginn und am Ausgang sieht man das 
Werk des jungen Lieberrnann. 
Rückwandelnd schreitet man durch dieses Zeitpanorama. Im ersten Stock sieht man 
die jüngsten Vergangenheiten. In den Sälen und fächerförmig ausstrahlenden Kabinetten, 
die von Peter Behrens diskret abgestimmt wurden, breiten sich Sonderausstellungen aus 
von Trübner, Leibl, Liebermann, Lenbach, Menzel, Böcklin, Thoma. 
Das große Ereignis bildet dann das Werk Anselm Feuerbachs, der hier in einer ' 
überwältigenden Totalität erscheint. 
Siebzig Bilder fügen sich zu einem gewaltigen Lebens- und Schicksalsmonument 
zusammen. Und vor der herben, strengen Größe dieser Welt wird freilich manches in der 
Nachbarschaft, zum Beispiel Böcklin, kleiner. 
Ein farbiger Abglanz hohen Wesens umfangt uns, große Gebärden rühren uns bedeut- 
sam an. Keine Posen sind das, sondern die Hoheit ist Natur, und das Pathos dieser Frauen- 
köpfe ist nicht eine Rolle, ist nicht Schönrednerei, sondern es ist echte reine Spiegelung 
einer seelischen Steigerung. Gesicht- und gestaltgewordene Feierstunden der Menschlich- 
keit malt Feuerbach, höchste Augenblicke. Und die Wesen, an denen sie sich darstellen, 
sind so tief und fein geartet, daß sie ihre hohen Mienen tragen wie etwas Selbstverständ- 
liches, sie sitzen ihnen so sicher und unzweifelhaft wie den Prinzessinnen des Märchens die 
auch am Alltag getragenen Kronen. Man denkt an ein Verwandtes in der Dichtung, an 
das Tasso-Reich oder an Konrad Ferdinand Meyersche Fresko-Novellen, in denen auch 
höchste menschliche Edelzüchtung natürlich wird und von denen das Wort gilt: „Was 
ich tue, tue ich groß". Und dieser Reigen erlesener Menschlichkeit, diese königliche Kunst, 
die mit unsichtbaren Gloriolen-Gestalten und Landschaften ein seelisches Leuchten gibt, 
einen feierlichen Klang und Schimmer, ist nie begrifiiich-abstrakt, sondern voll stark 
gebannter malerischer Wirklichkeit. 
Feuerbach verwandt und gleichfalls ungemein fesselnd in seiner vielfältigen Werk- 
darstellung ist Hans von Marees. Dem Römerzuge war er auch verfallen, mit gedanken- 
kranker Seele suchte er im Süden Erlösung durch Gestalt und Farbe. Herber und spröder 
ist seine Aussprache als die Feuerbachs. Am charakteristischsten drückt sie sich in seinen 
knospenden Jünglingsgestalten aus, die aufrecht in der Landschaft stehen. Marees em- 
pfand sie als Epheben, sie erscheinen aber eher germanisch, Parsifal-Brüder, reine Thoren 
und an das Wort denkt man, das Hebbel seinen Hagen sprechen läßt: Des Mädchens 
Keuschheit geht auf seinen Leib, - Des Jünglings Keuschheit geht auf seine Seele. 
Es ist nun mehr im Geiste dieser Ausstellung, daß man sich bei den weniger 
gekannten oder durch die Besonderheit der hier vereinigten Werke neu beleuchteten 
Künstlern aufhält, als daß man den oft gesehenen und oft geschilderten Meistern neue 
Gesichtspunkte abzugewinnen versucht. 
Reviere zuEntdeckungsreisen mit oR entzückenden, abgelegenen, künstlerischenKlein- 
Winkeln bieten die oberen Stockwerke. Hier findet man ein malerisches Gastspiel Österreichs 
(von Professor Moll inszeniert) und hier breitet sich weit verzweigt ein Reich deutscher 
Kunst-Kleinstaaterei aus. 
Die österreichische Abteilung, deren einer Repräsentant Makart im unteren Stock- 
werk, in dem Bezirke der Jüngeren thront, bietet sich am fesselndsten in den Kabinetten, 
die man Altwien überschreiben möchte. 
Waldmüllers herzhafte Innigkeit spricht hier aus den Landschaften vom WienerWald, 
aus den Praterbildern mit Wiesenflächen und stillgrünen Plätzen unter beschaulichen 
Wipfeln und aus den Portraits. 
Diese alten Frauenbilder, mit den Hauben, im grünen Lehnstuhl, mit Ohrgehänge und 
Haarpuifen, haben ein Kultur-Aroma der Biedermeierzeit, das uns mit allen Farben des
	        
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