Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
13. Jahrgang. Wien, 1. August 1921. Nr. 15.
Der Fall Fraundorfer.
Der bayrische Verkehrsminister Heinrich von
Fraundorfer, eine der populärsten politischen Per
sönlichkeiten Münchens, hat seinem Leben freiwillig
ein Ende gemacht. Was diesen Fall aus der Tages
chronik he. aushebt, ist das Motiv, das ihm zugrunde
liegt. Fraundorfer ist zum Selbstmörder geworden,
nachdem man die Entdeckung gemacht hatte, daß
er seltene Münzen und Medaillen in gewinnsüchtiger
Absicht fälschte. , 'j £ ! j « ,,, |
l Heinrich von Fraundorfer war selbst ein hervor
ragender Sammler von alten Münzen und Medaillen.
Von dem begreiflichen Bestreben, erfüllt, seine Samm
lung auszugestalten, ließ er sich — was ihm als Mi
nister nicht schwer fiel — die seltensten Originale
aus den staatlichen Münzkabinetten nach Hause
bringen, wo er Nachgüsse anfertigte und mit Hilfe
dieser die Originale nachbildete. Die Falsifikate sind
in Edelmetall so vorzüglich ausgeführt, daß selbst
allererste Numismatiker sie nicht erkannten und es
Fraundorfer möglich war, sie bei Münzenauktionen
zu sehr hohen Preisen zu verkaufen. Wie die Fäl
schungen schließlich aufkamen, ist noch nicht be
kannt; genug an dem, als Fraundorfer sah, daß die
Pol zei ihm auf den Fersen war, drückte er den Re
volver gegen sich ab. Die Münzliteratur aber ist um
ein neues, trauriges Kapitel reicher, um die Falsi
fikate Fraundorfers, denen nachzugehen eine Auf
gabe der Forschung sein wird.
Münz- und Medaillenfälschungen sind übrigens
nicht so selten, wenn auch der Fall vereinzelt dastehen
mag, daß sie mit dem Leben gesühnt wurden. Schon
im sechzehnten Jahrhundert spekulierten Künstler
von viel Talent und wenig Gewissen auf die Unkenntnis
und Gier der Sammler von Medaillen. Der Paduaner
Giovanni Cavino (1499bis 1565) schuf nach alten Vor
bildern, wie nach den besonderen historischen und
sonst erforderlichen Angaben, die ihm sein Genosse
Alessandro Bassiano lieferte, hunderte von Medaillen,
in denen er die ganze Galerie historischer, literarischer,
dichterischer Berühmtheiten der alten Welt verewigte,
und brachte sie mit dem größten Erfolg auf den Markt.
Auch heute noch werden die kleinen Meisterwerke
Cavinos gesucht und hoch bezahlt, wenngleich man
ihren Ursprung kennt.
Carl Wilhelm Becker in Speyer (1771bis 1830) soll
zuerst zum Zwecke scherzhafter Mystifikation eine
byzantinische Münze nachgeschnitten haben. Er fand
aber an diesem Tun solchen Gefallen, daß er dann das
Fälschen von Münzen und Medaillen gewerbsmäßig
betrieb. Er schuf, wie Paul Eudel in seinem Buche
„Fälscherkünste“ mitteilt, insgesamt 300 Falsifikate,
darunter 133 griechische, 136 römische Münzen und
etwa zehn Medaillen. Durch ein' sinnreiches Mittel
gab er seinen Arbeiten das gewünschte altertümliche
Aussehen. Er tat die aus alten Schrötlingen von ihm
geprägten Münzen in ein unter seinem Reisew'agcn
auf gehängtes Behältnis und ließ sie dort Monate hin
durch in einer Brühe von Fett und Eiscnfeilspänen,
bis sie geschwärzt und durch das Schütteln künstlich
abgenützt waren.
Seine Erben ließen mit seinen Stempeln die künst
lerisch großartigen Fälschungen aus einer eigenen
Legierung prägen und verkauften sie als Imitationen
an Museen und Privatsammlungen, damit schätzbare
Vergleichsobjekte bietend und wohl manchen neuen
Betrug verhütend.
Der Numismatiker erkennt übrigens, wenn er die
von Becker gravierten Stücke mit den Originalen ver
gleicht, die ersteren leicht an der etwas derberen
Arbeit und dem bläulichen Schimmer des Metalls.
Außer den in 120 Medaillen hauptsächlich behan
delten zwölf Cäsaren, die Giovanni Cavino unter Mit
hilfe Bassianos verfertigte, und von denen sich 122 Ori-
ginalkopicn in der Nationalbibliothek zu Paris befinden,
kennt man noch andere Arbeiten, denen weniger die
Absicht des Betruges bei der Herstellung zugrunde lag
als das ehrgeizige Bestreben, es den alten Stempel
schneidern gleichzutun. Sie sind meistens den Arbeiten
Cavinos nachempfunden und im Münzhandel als „Padu
aner“ allgemein bekannt.
Im siebzehnten Jahrhundert haben sich als. künst
lerische Münzfälscher renommierte Namen gemacht:
der Lyoner Cogornier, der Medaillen auf die Ty
rannen unter Valerian und Gallienus schuf, und seine
Landsleute Dervieu und Laroche wie auch der
Holländer Carteron. Im neunzehnten Jahrhundert
ragen aus der Menge der Münzfälscher hervor: der
Italiener L. Gigoi in Udine, der Engländer Dauven
in Birmingham, der ostasiatische Münzen im Werte
von vielen Millionen fabrizierte, der Londoner Händler
Edward Doubleday und Caprera. Zu den ersten
Fälschern römischer Medaillen zählen noch im sech
zehnten Jahrhundert der Graveur Guill. du Choul
und Ant. le Pois, deren geschickte Nachahmungen
jedoch nicht an die des Cavino heranreichen.