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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1892 / 3)

Langsam fortschreitend werden die Robbianischen Fruchtkränze 
immer reicher und üppiger. Auf dem Höhepunkte ihrer Entwickelung 
sehen wir sie bereits an dem berühmten Lavatojo in S. Maria Novella 
vom Jahre 1497, wo neben dem Kranz im Halbrund noch freistehende 
Putten üppige Gehänge tragen. ln den ersten Decennien des 16. Jahr- 
hunderts findet diese Gattung an den Medaillons am Spedale del Ceppo 
in Pistoia ihre Fortsetzung. Diese farbenprächtigen Umrahmungen bieten 
eine solche Fülle unmittelbar der Natur entnommener Details, dass sie 
den Kunsthistoriker förmlich auffordern, mit dem Botaniker über die 
Namen der Blätter, Blüthen und Früchte, die da vorkommen, zu Rathe 
zu gehen. Professor Josef Bayer hat in dieser Zeitschrift ') interessante 
Einzelheiten über die Pflanzenarten in jenen Frucbtkränzen mitgetheilt. 
Diesen zufolge sind außer den bereits erwähnten Pflanzen noch der 
Hibiscus, die gefüllte sowie die l-Ieckenrose, die Mohnblume, die Granat- 
blüthe und Primel deutlich zu erkennen. Das viele Grün bestreiten Pinie, 
Fächerpalme, Weinlaub, das Blatt der Erdbeere u. s. w. Von Früchten 
findet sich eine reiche Auslese: die Traube, die Citrone, der Granatapfel, 
der Mohn, die Gurke und andere bereits früher erwähnte Arten. 
Wir wären aber nicht berechtigt, die Naturliebe der Renaissance als 
wesentlichen Factor in der Entwickelung des Ornamentes zu bezeichnen, 
wenn sich dieselbe blos auf die angeführten Monumente beschränken 
würde. In ihnen gipfelt zwar diese Naturliebe, aber sie erschöpft 
sich nicht in diesen wenigen Arbeiten. Die Verwendung des natura- 
listisch nachgebildeten Pflanzenwuchses erstreckt sich vielmehr, an- 
geregt durch die decorativen Compositionen Ghiberti's und der Della 
Robbia, fortan auf die gesammte Decorationskunst. Wenige unter den 
reicher geschmückten Obiecten der italienischen Renaissance sind von 
nun an zu finden, an welchen nicht auch solche Zier in geringerem oder 
reicherem Maße Verwendung fände. Dadurch ergaben sich aber wichtige 
Consequenzen für das gesammte Decorationswesen. Dasselbe musste sich 
vor Allem, um mit den naturalistischen Bildungen nicht widerwärtig zu 
contrastiren, ebenfalls mit frischer Lebenskraft durchdringen. Auch hier 
musste der vegetabilische Charakter des Urbildes schärfer betont werden, 
auch hier musste der Künstler sich an die lebende Pflanze halten, und 
die Formen bei aller Stilisirung in gewissem Sinne zur Natur zurück- 
führen, von der sie einst ausgegangen waren. Da rin also liegt die 
wesentliche Bedeutung des Naturalismus für die decorative 
Kunst, dass sein Auftreten gleichsam eine neue Redaction 
der gesammten Ornamentik der Antike veranlasste, und aus 
dieser Umdeutung und Umbildung jener Schatz an idealen Pflanzen- 
formen hervorging, der die Decoration des r5. Jahrhunderts zur Höhe 
classischer Bedeutung erhob. 
') Vergl; nMinheil. des k. k. Oeuerr. Museums-n 1888, Nr. 29 Hi.
	        
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