Entwurf Lemerciers für den Louvre nach Korn. Gurlitt „Geschichfe des Barockslils"
Wenn wir einen raschen Blick auf die damaligen Zustände der Kunst
in Mitteleuropa überhaupt, insbesondere aber auf die in Wien werfen, so
wird uns ein solcher Wandel im Plane nicht unbegreiflich erscheinen.
Nachdem sich gerade in dem regen Bauleben Wiens nach dem Zurück-
drängen der Türkengefahr unter italienischem, zum Teile auch bereits unter
französischem, Einflusse ganz eigentümliche Richtungen, wie die des älteren
Fischer und die Hildebrandts, geltend gemacht hatten, bereitete sich nun
wieder ein gewaltiger Umschwung vor.
Man erinnere sich nur der hohen Bedeutung, die gerade zur Zeit
Ludwigs XV. die französische Richtung in Europa erlangt hat und die Gurlitt
treffend in folgenden Worten zusammenfaßt: '
„Wie Cotte, so wirkte auch Boffrand von Paris aus in die Weite. Wenn
man von I-Iardouin Mansart sagen kann, sein Geschmack habe Frankreich
beherrscht, so kann von seinen Nachfolgern das Wort gelten, sie haben
über die ganze gebildete Welt ihren Geist zu verbreiten gewußt. Boffrand
sammelte die Früchte der nun allgemein anerkannten Blüte der franzö-
sischen Kunst."
Diese „neue Richtung" ist übrigens jünger und älter zugleich gegenüber
der unmittelbar vorhergehenden.
In Frankreich war die etwas kleinliche ältere Richtung durch Lebrun,
Perrault und andere überwunden worden; in Wien nahm der ältere Fischer
eine in gewisser Beziehung ähnliche Stellung ein. Hildebrandt repräsentiert
dagegen in seiner Zergliederung der Grundrisse, besonders in der reicheren
Dachwirkung und den üppigen Einzelnformen mehr die ältere und reiner
nordische - ich sage nicht etwa ausschließlich deutsche - Richtung; man
braucht nur Lemerciers Plan für den Louvre (Abbildung auf Seite 621) mit
dem Belvedere (Abbildung auf Seite 623) und beide mit Perraults Louvre
(Abbildung auf Seite 622) zu vergleichen.
In Frankreich tritt nun allmählich gegenüber dem Grandiosen gerade
des Perraultschen Louvre bei aller Strenge der Einzelform wieder eine
' Korn. Gurlitt „Geschichte des Barockstils in . . . Belgien, Holland, Frankreich und England . . 3'
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