Wenn Kleiner also an alledem nicht Anstoß nimmt, dagegen bei der
Burgfassade eine vom Gewohnten so abweichende Unterschrift gibt, so muß
man wohl annehmen, daß das so bezeichnete Projekt eben tatsächlich
bereits aufgegeben war. Kleiner mochte es nun für besonders würdig
halten, der Nachwelt überliefert zu werden." Vielleicht hat der Verleger den
Stich auch wie andere, in der sicheren Erwartung, daß er zur Ausführung
gelangen werde, herstellen lassen und wollte ihn nach endgültiger Zurück-
stellung des Projekts nur nicht nutzlos beiseite legen.
Man könnte aber vielleicht einen Augenblick lang glauben, daß die
Worte „ausgeführt werden sollte" deshalb gebraucht wären, weil der ganze
Burgbau überhaupt nicht mehr weitergeführt werden sollte. Doch trifft dies
nicht zu; denn der Stich ist bereits X733 im Handel, und der andere, der die
Reitschule darstellt, zeigt uns ganz deutlich, daß noch bis 1735 weitergebaut
wurde." Es kann sich also nicht um das Aufgeben des Burgbaues im ganzen,
sondern nur um das Aufgeben des im Modelle ausgeführten Entwurfes oder
um eine wesentliche Änderung desselben handeln.
i: III
all
Wir haben nun auch eine alte Zeichnung erhalten, die zwar nur einen
Teil der Fassade darstellt, diesen aber dem ausgeführten Teile weit ähnlicher
wiedergibt als der Stich bei Kleiner. Zugleich führt uns diese Zeichnung,
dem Stiche gegenüber, eine wesentliche Änderung vor Augen, die aller
Wahrscheinlichkeit nach mit dem Aufsetzen der Kuppel in Verbindung steht.
Auf den ersten Blick erkennt man, daß die hier (auf Seite 633) wieder-
gegebene Zeichnung von zwei verschiedenen Händen _ auch mit zwei
verschiedenen Tinten - ausgeführt worden ist.
Der größte Teil ist anscheinend von einem Bauzeichner genau nach
einem vorhandenen Entwurfe nachgezeichnet, offenbar um dem Künstler,
der die meisterhaft gezeichneten Figuren einsetzte, eine Unterlage zu bieten.
Das von dem Bauzeichner Wiedergegebene schließt sich nun im all-
gemeinen an den durch den Stich erhaltenen Entwurf; einzelne Teile des
Stiches, zum Beispiele das Symbol der stehenden Figur oben, versteht man
hier überhaupt erst.
Ganz klar ist aber, daß diese Zeichnung nicht vor 1745, dem Jahre, da
Franz Stephan, Maria Theresias Gemahl, als Franz I. Kaiser wurde,
entstanden sein kann; denn man sieht an den Stellen, wo früher Initialen
und Wappen Karl VI. zu sehen waren, jetzt seine Initialen und sein (lothrin-
gisches) Wappen. Diese Änderungen konnte natürlich noch der Bauzeichner
' In der trefllichen Arbeit des Dr. Viktor Hofmann v. Wellenhof, „Der Winterpalast des Prinzen Eugen
von Savoyen . . . ." (Wien 1904) wird wohl nicht mit Unrecht die Vermutung ausgesprochen, daß die Unter-
schrift „Cette maison avec le grand escalier est du dessin de F. v. E." unter dem Stiche bei Delsenbach gerade
die Kenntnis des durch die Ausführung bereits überholten Fischefschen Projektes erhalten sollte. 7 Ich habe
schon bemerkt, daß Kleiner nie den Urheber eine: Werkes nennt, so daß also in dem oben besprochenen Falle
trotz Verschweigen des Namens eine ähnliche Absicht vorliegen könnte.
"H Die Vollendung der Reitschule im jahre 1735 ist auch inschriftlich gesichert. Vgl. Realis a. a. O.
Seite x37.