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Volltext: Monatszeitschrift IX (1906 / Heft 11)

Einblick in den Werdegang eines so großen Werkes gewinnen. Wir können 
die Entwicklung durch nichts so gut kennen lernen, wie wenn wir sie an der 
Wirkung auf ein und denselben Gegenstand bemessen. So erkennen wir die 
allmähliche Umwandlung von der Barocke in den Klassizismus, wir lernen 
die Beziehungen Wiens zur französischen Kunst von einer ganz neuen Seite 
kennen; auch die bisher so vereinzelt dastehende Aula gewinnt plötzlich 
I-Ialt und Zusammenhang; wir sehen die größten Meister, von deren Mit- 
arbeit an dem Werke wir sonst gar keine oder nur eine ganz undeutliche 
Vorstellung hatten, hier unmittelbar an der Arbeit; I-Iildebrandt, der jüngere 
Fischer und Jadot gewinnen dadurch für uns ganz anderes Leben; ein 
Streiflicht scheint auch auf den älteren Fischer und auf Balthasar Neumann 
zu fallen. 
Wenn vom älteren Fischer überhaupt ein Plan für die Hofburg vor- 
handen war, so kann er k so befremdlich es im ersten Augenblicke er- 
scheinen mag - vielleicht am ehesten noch in der Art des oben mit 
Neumann in Verbindung gebrachten Entwurfes gewesen sein; eine nähere 
Untersuchung über diese Frage und die genannte Zeichnung behalte ich mir 
noch vor. 
Bei dem fast völligen Mangel wirklich stilistischer Untersuchungen 
über die Wiener Barockkunst ist es möglich, daß ich selbst zur Ansicht 
gelange, daß der ältere Fischer in seinen späten Tagen viel französischer 
wurde als man gemeinhin denkt, und daß ihm vielleicht Entwürfe zugehören, 
die wir ihm heute zuzuschreiben noch zögern. Jedenfalls scheint aber der 
ausgeführte Burgbau - die Hofbibliothek zum Teile ausgenommen - mit 
dem älteren Fischer in keinem direkten Zusammenhänge zu stehen. 
Die wesentlichen Ergebnisse dieser vorläufigen Untersuchung werden 
durch die geänderte Auffassung des einen oder anderen Punktes übrigens 
wohl kaum eine tiefgreifende Wandlung erfahren. 
Ich will hier also die wichtigsten Tatsachen, die wir aus der vorher- 
gehenden Betrachtung für die Geschichte der Burg gewonnen haben, noch 
einmal kurz zusammenfassen. 
Zunächst haben wir aus den erhaltenen Entwürfen Hildebrandts 
erkannt, daß dieser Meister nicht nur umfassende Pläne für die Burg ent- 
worfen, sondern zum großen Teile auch ausgeführt hat und daß die von 
ihm ausgeführten Partien wenigstens teilweise auch noch vorhanden sind. 
Dann haben wir aus einer eigentümlichen Eintragung in dem älteren 
Plane erkannt, wie die Idee einer eingeschwungenen Fassade mit anschließen- 
der runder Vorhalle, zunächst in elliptischer Gestalt, entsteht. 
Sodann haben wir auf einem alten Stadtplane zuerst die Umwandlung 
der ursprünglich eckigen Baublöcke zur Seite des eingeschwungenen 
Fassadenteiles in abgerundete und ihr Vortreten bemerkt; damit ist die 
großartige geschwungene Front gefunden, die seither das Entzücken der 
Künstler und Beschauer bildet und allmählich zum Mittelpunkte der ganzen 
Burganlage werden sollte. Wir haben dann gesehen, wie sich im Laufe der
	        
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