der Kartonzeit nicht verleugnet.
Bei Henry de Groux tritt man in
eine Weltvoll düsteren Feuers und
ominöser Pracht. In eine Traum-
welt, denn er ist ein Träumer,
der alleModellmalerei verschmäht
und nur seine Gesichte sieht. Da-
bei aber saugt er die Außenwelt
unwillkürlich so authentisch ein,
daß er keineswegs wie Böcklin
als Auswendigmaler gelten kann,
sondern anfangs tatsächlich als
Realist eingeschätzt wurde. Das
war, als er x8g1 in Brüssel, dann
1892 in Paris mit dem großen
Bilde „Le Christ aux outrages"
(4)(3 Meter) erschien. In Wien
istnur eine kleinere Pastellvariante
davon zu sehen, aber auch diese
von mächtiger Wirkung. Die
orientalische Seltsamkeit und die
grotesken Äußerungen des Fana-
tismus, das Urwüchsige der Ge-
berde und man möchte sagen die
Genialität der Grimasse, in diesem
Gewühl von exotischen Möglich-
keiten, das Alles ist nichts Ge-
wöhnüches Dabeiistxomposition, Sevres-Porzellan, um 1840, aus Fürstlich Metternichschem Besitz,
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Perspektive, Zeichnung mangeL asen drmiges u gea ,im nte e e ie ee rnte
halt, jeder Zeichenlehrer kann da sein kritisches Licht leuchten lassen. Die Farbe freilich ist
ungewöhnlich; es ist eben die Farbe der Farbig-Geborenen, die kein Verstand der Ver-
ständigen erlernt. Und überquellend, überwältigend ist das Temperament, die Charakteristik
der Leidenschaften. In Brüssel schon wurde der Maler für diese Tafel in der Luft zerrissen.
Namentlich stieß man sich daran, daß er den geschmähten Erlöser als angstvoll zurück-
fahrenden Menschen darstellte (in der Wiener Variante anders). Der Heiland, sagte er zu
König Leopold II., sei ja Mensch geworden, um alle Menschenangst und Menschenpein
wirklich zu fühlen; „Ein Wurm bin ich, kein Mensch", sage der Psalmist. König Leopold
war überhaupt der Einzige in Brüssel, der sich mit ihm einließ ; er konnte sich selber le peintre
aux outrages nennen. Und der König zahlte auch die Kosten des Transports nach Paris.
Dort wurde der Künstler von Männern wie Puvis de Chavannes und Octave Mirbeau
freudig anerkannt, von der Menge freilich verhöhnt; sein Bild blieb aber doch die Sensation
in der Ausstellung der Union liberale, nachdem der Salon des Marsfeldes es zurück-
gewiesen. Es erschienen dann von ihm zahlreiche Werke ähnlichen Gehalts, meist Pastell
und Lithographie. Er war mit Zola befreundet, den er in einer Szene unter dem Titel:
„m. Fevrier 1898" darstellte, wie er bei dem Dreyfus-Prozeß aus dem Palais de justice
tritt und die fanatisierte Menge ihn in die Seine werfen will. Es ist ein Zola aux outrages.
Einer seiner Lieblingshelden war Napoleon, dessen Episoden er in meisterhaften Litho-
graphien voll moderner Stimmung darstellte (Schlacht bei Austerlitz, Schlacht bei Water-
loo, Rückzug aus Rußland, St. Helena u. s. w.). Er ist da gleichwertig mit Raffet (Nächt-
liche Heerschau). Bei Miethke sieht man nur ein Napoleon-Bild, allerdings ein Prachtstück
von Farbe, Bonaparte auf arabischem Fliegenschimmel vor feuerroter Luft, gleichsam als
Silhouette, von einem Weltbrand abgehoben. Ferner liebt er Richard Wagner, dessen
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