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Duchesne hält sie für ein Spiel, schon weil
sie zweimal kopiert worden sei (1485 und im
XVI. Jahrhundert). Vermutlich rühre es von
einem Horentinischen Stecher her. Es stellt
Lebenszustände, Musen, Wissenschaften,
Tugenden und Planeten dar. Ottley schreibt
es Baccio Bandini oder Botticelli zu, Zani
aber neuestens fast mit Sicherheit der vene-
zianischen Schule von Padua, wohin der Dia-
lekt der Inschriften weise, wobei noch zu
erinnern, daß Aretino gelegentlich die vene-
zianischen „sprechenden Karten" als die
besten rühmt. Zu den belehrenden Karten
zählt ferner aus dem XVI. Jahrhundert das
Spiel Thomas Murners, des Franziskaner-
mönchs und späteren Professors der Philo-
sophie in Krakau und Freiburg (Schweiz). Es
hat 52 Blatt und die Einzelheiten sind immer
mit irgend welchen abstrakten Schulbegriffen
parallelisiert, zum Beispiel Schellen-enun- Deu[schespiglkartevonls4syausdernwerke
ciatio, Eicheln-sillogismus,Herz-suppositio w" "ßrgxllälßllljeignsgßj: 1191i; nsdvißtlkßmn
und so fort. Der Advokat Balesdens vom v ' ' a r er
Pariser Parlament ließ es 1629 in Paris drucken („Chartiludium logicae, seu
logica poetica, vel memorativa"). Mitte des XVIII. jahrhunderts wurden
nach diesem Muster allerlei geographische und historische, dann Spiele mit
Fabeln, Königen von Frankreich, berühmten Feldherren und so weiter ge-
macht. Der Akademiker Des Marets machte Spiele mit französischen
Königen, berühmten Damen, Metamorphosen und Geographie.
Durch einen ähnlich klingenden Kriegsrat Desmarest ließ Kardinal
Mazarin ein Unterrichtsspiel für die Jugend erfinden, das vom berühmten
Della Bella aus Florenz gestochen wurde und Ludwig XIV. das Lernen
erleichtern sollte. Ein gewisser Claude Oronce Fine, genannt Brian-
ville, in Lyon machte 1660 sehr hübsch gestochene Karten mit fürstlichen
Wappen, wobei er sich aber allerlei Fürstlichkeiten auf den Hals zog, weil
er ihre Wappen den „Buben" (vaiets) zugeteilt hatte. Er mußte zu Kreuze
kriechen und die „Knechte" zu Prinzen und Chevaliers erhöhen, worauf seine
Karten Absatz fanden. Die „instruktiven" Karten dieser Zeit waren in der
Tat Legion. Man konnte da spielend ein gebildeter Mensch werden. Ein
gewisser Daumont gab ein Spiel der Festungswerke (1763) heraus, wo man sich
den halben Vauban aneignen konnte. Und ein anderes Spiel zum Erlernen
der Heraldik (1730). joh. Chr. Albrecht in Nürnberg (1769) brachte „kalli-
graphische" Karten, wo alle Buchstabenarten in der Luft wimmelten und die
Figuren ganz mit kalligraphischen Linienspielen soutachiert waren, die an
Dürersche Schnörkel und „Knoten" erinnern. Dann gab es Karten mit
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