auf der Großen Berliner Kunstausstellung xgoö aus-
gestellt war.
GERMANISCHE FRÜHKUNST. um
Recht hat man sich in den letzten Jahren
wieder mehr dem Studium der Volkskunst zuge-
wandt. Ein neues Werk mit dem angeführten Titel
kann in dieser Beziehung wohl zu den bemerkens-
wertesten gerechnet werden." Es ist immer fesselnd
zu sehen, wie Formen, die sich in den Mittelpunkten
verfeinerter Gesittung entwickelt haben, nach ver-
einzelten Vorbildern und Erinnerungen von ein-
facheren Handwerkern oder im unmittelbaren Haus-
betriebe, dem einfacheren oder in gutem Sinne ein-
fältigeren Empfinden und den einfacheren Betrieben
und Mitteln entsprechend, umgewandelt werden.
Wenn es nun natürlich auch vollkommen ver-
fehlt wäre, die so entstandenen, für eine gewisse
Sphäre echten und entsprechenden Formen ein-
fach in höhere Kulturverhältnisse zu übertragen,
so können wir doch die Anregung daraus ziehen,
auch unsere verfeinerten Kulturformen, wenn es
sich um einfachere Aufgaben des Alltags handelt,
in echter Weise vereinfachend umzuformen.
In diesem Sinne kann denn auch die Kunst
ausgedehnter primitiver Zeitabschnitte anregend
wirken. Es sind ja die meisten primitiven Zeiten
der Bauem- oder Volkskunst vergleichbar; denn
nur in den allerseltensten Fällen kann man von
wirklich „voraussetzungsß oder „ahnenlos" ent-
standener Kunst sprechen. So weit unsere Über-
lieferung zurückreicht, hat immer schon ein Volk
auf das andere und irgend eine frühere auf die um, Zugucht, Mumommlplu, von Josef
jeweilig bestehende Kunst gewirkt. Die Annahme Breitkopf-Cosel
ganz indogener Kunst beruht meist auf Irrtum oder
Mangel an Erkenntnis. Vieles scheinbar ganz ursprünglich Gewordene ist in Wirklichkeit
nur volkstümliche Vereinfachung oder Rückbildung.
In gewissem Sinne kann man wohl sagen, daß auch der größte Teil der spätantiken
und frühmittelalterlichen Kunst auf weiten Gebieten des ehemaligen griechisch-römischen
Reiches und des sonstigen Europa, so weit es für die Kunst überhaupt in Betracht kommt,
nur Volkskunst in dem oben angedeuteten Sinne darstellt.
Neben Erinnerungen reisender Künstler und Handwerker, neben einzelnen Gold-
schmiedearbeiten und anderen Kunsterzeugnissen boten vor allem die Gewebe, die aus
den höchstentwickelten Teilen bis in die {ernsten Gebiete gelangten, Anregung zu formellen
Gestaltungen. Man erkennt dies zum Beispiele recht deutlich bei den Arbeiten an den Kirchen
zu Urnaes und Pomposa oder an den Brüstungsplatten zu Aquileja, die in dem angeführten
Werke abgebildet sind.
Durch solche Anregung erklärt sich auch das Vorkommen selbst indischer Dar-
stellungen, zum Beispiele eines Garuda auf einem Taufsteine zu Stockholm. Besonders
stark sind in den germanischen oder von Germanen besetzten Gebieten natürlich die
' Germanische Friihkunst. Herausgegeben von Prof. Karl Mohrmann und Dn-Ing. Ferdinand Eichwede
(Leipzig, Tauchnitz), bisher erschienen 9 Hefte, im ganzen u Hefte.