MAK

Volltext: Monatszeitschrift X (1907 / Heft 3)

SEZESSION. Die XXIX. Ausstellung bietet viel Sehenswertes und bringt namentlich 
auch ein starkes Stück Ausland. Ein ganzer Saal ist mit Bildern Charles Cottets 
behängt, aus der Bretagne, Spanien, Venedig, Ägypten. Natürlich sind die bretonischen 
die besten. Ihre merkwürdig schwarze Note hat er anzuschlagen gewagt, als alles ringsum 
der hellmalerischen Impression nachjagte. Aber er nahm sein Schwarz nicht aus der 
Galerie, wie Roybet von Ribera oder Theodule Ribot von Rembrandt, den er sich ins 
Schwarze transponierte, sondern aus der Natur wie Monet. Er pflückte die schwarzen 
Rosen, die dort im Freien wachsen. Wo die Volkstracht schwarz ist, die unbeworfenen 
Steinmauem und Feldzäune vom Wetter schwarz werden und Himmel und Meer gern ihr 
schwärzestes Gesicht machen, dort spielt das düstere Drama in drei Akten, wie es sein 
Triptychon „La mer" zeigt. In der Mitte das Abschiedmahl, strotzend vom Leben der 
Palette, zwischen zwei grauen Flügeln; links die Ausfahrt, rechts die Trauer der Ver- 
waisten. Eine vorzügliche kleine Studie zu diesem großen Luxembourg-Bild ist hier aus- 
gestellt. Als Hauptstück dient die große „Wallfahrt in der Bretagne". Ganz in dünnem 
Sonnenschein, auf dünnem Grün von Graswuchs, wo weithin schwarze Menschenreihen 
und Menschenkarrees wie eine Truppenparade in Trauer ihre Geometrie einzeichnen. Im 
Vordergrund frühstücken sechs Mädchen auf einem weißem Tuch im Grase, frisch wie 
von Cezanne hingesetzt. Das Ganze ein eigener Natureindruck mit einem Schauer von 
Augenblicklichkeit. Dagegen mit voller Ateliersorgfalt zusammengestreichelt und konzert- 
mäßig gestimmt das große Bild „]ohannisfeuer", mit dem Flackerschein auf all den 
Figuren in der Nacht. Solche Transparenzen hat er überhaupt im Griff; die bleichen 
Gesichter seiner Trauergäste sind immer meisterlich. Ein lebensgroßer alter Schimmel 
auf der Weide ist ein gutes Beispiel, wie eindringlich er so ein Thema auf Strich und 
Fleck studiert. In südlicher Natur verliert er entschieden. Auch wenn er den Dom zu 
Segovia in verschiedenen Beleuchtungen malt; anstreicht, möchte man sagen. Es ist nicht 
die Luft drin, wie in Monets vielen Kathedralen von Rouen. Der andere Ehrengast ist der 
früh verstorbene Evenepoel, der durch seinen „Espagnol ä Paris" notorisch geworden. 
Auch er malt von der tiefgestimmten Palette, große Bilder: „Fest bei den Invaliden", 
„Heimkehr von der Arbeit", „Jahrmarkt am Sonntag". Breit und weich zerfließend, mit 
vollsaftigem Pinsel, ganz auf „Ton", dem er oft sehr wenig Spielraum gestattet und 
dennoch farbig bleibt. Von seinen „Atelierecken" und Zufallsporträten, die so entstehen, 
kann ein Maler lernen. Die Kunst, mit wenigen Broten Tausende zu speisen. Auch ein 
deutscher Gast, Slevogt, behauptet sich mit Glanz. Sein jugendliches Damenbildnis „Der 
graue Pelz", eine Oktoberlandschaft, ein paar Blumenstücke sind die Frische selbst, und 
die Hand eines hervorragenden Nuancentreffers. Unter den Wienern gebührt der Lorbeer 
diesmal dem Radiermeister Ferdinand Schmutzer, der ein ganzes Zimmer mit seinen 
kleinen und großen Arbeiten füllt. Auch Monotypien, Zeichnungen und Aquarelle kommen 
vor, die kalte Nadel taucht stellenweise auf, der Löwenanteil aber gebührt der radierten 
Platte. Vorn zierlichsten Exlibris bis zum, man möchte sagen, lebensgroßen Porträt, über 
i Meter hoch, reichen seine Abmessungen. Über Whistlersche Schranken ist er längst 
kühn hinausgewachsen, wozu freilich neue Vervollkommnungen und Hilfsmittel erforder- 
lich waren. In diesen großen Porträten (Bürgermeister Dr. Lueger, Dame am Klavier, 
Frau Dr. G., Herr K. Wittgenstein und andere) ist er der unübertroffene Spezialist. Aber 
er porträtiert auch auf Licht- und Schatteneffekte hin mit brillanter Verve, wie das Blatt 
„Joachim und Exzellenz von Keudell", die sich in dunkler Plastik von der Fensterhelle 
abheben. Eines der schönsten Bilder ist in Rembrandtscher Art („Hundertguldenblatt") 
geführt, die große „Klostersuppe" (43:54 Zentimeter), deren Platte die Gesellschaft für 
vervielfaltigende Kunst für ihr nächstes Prämienblatt (1907) erworben hat. Der Künstler 
hat die Studien zu diesen Armeleutiiguren bei den Lazaristen auf der Kaiserstraße mit 
großer Sorgfalt gemacht und fuhrt an ihnen seine Schwarz-Weißskala mit eminenter 
Feinfühligkeit durch. Ersten Ranges sind auch die Landschaften von Sigmundt: „Alte 
Weiden", „Gemüsegarten" und „Sommerabend", wo die anspruchsloseste Natur in ihren
	        
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