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spätestens um die Mitte des XV. Jahrhunderts, wahrscheinlich aber schon
zu Anfang desselben entstanden. Das ist also wenigstens zwei Menschen-
alter vor der Zeit, welcher die archaisch verzierten Scherben von Siegburg,
Cöln und Raeren, der ältesten rheinischen Plätze, angehören. Und doch sind
diese gotischen Gefäße durchaus keine primitiven, unvollkommenen Arbeiten,
keine halbgelungenen Versuchsstücke, wie man es nach der sonstigen Ent-
wicklungsgeschichte des Steinzeugs in so früher Zeit erwarten sollte. Sie
zeigen im Gegenteil eine ganz fertige, mit voller Sicherheit gehandhabte
Verzierungsart, ein entschiedenes Formengefühl, dazu eine ausgereifte
Dekorationsentwurf des Giuseppe Galli-Bibbiena
Technik, im ganzen also eine so gehobene Stufe der Krugbäckerei, wie sie
bei allen anderen Steinzeugarten aus den genannten rheinischen Orten und
deren Ablagern erst ein volles Jahrhundert später wiederum erreicht
worden ist.
Es ist alles rätselhaft an diesen seltenen Steinzeuggefäßen der Gotik: die
Entstehungszeit, der Herstellungsort, die ursprüngliche Zweckbestimmung.
Das Rätselhafteste aber ist, daß von ihnen keine sichere Brücke herüberführt
zu den späteren Erzeugnissen desselben Gewerbes und desselben Ortes, daß
die frühen Errungenschaften dieser Werkstatt den Nachkommen nicht über-
mittelt worden sind.
Daraus, daß die Renaissance die den frühen Dreihausener Gefäßen
eigentümliche Verzierungsart als veraltet hatte aussterben lassen, erklärt es
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