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Volltext: Monatszeitschrift X (1907 / Heft 10)

sofort Kriehuber ein; der muß sich diese Art von Konterfeis genau angesehen haben. Hol- 
bein, Rigaud, Cornelis Visscher, Roslin, Pesne, Liotard und so fort, keiner der großen 
Porträtbeliebten fehlt. Watteau ist überaus reizvoll in seinem Abbild des jungen chinesischen 
Attaches T'sao, der wie ein Bernardin de St. Pierrescher Romanheld dasitzt. Fragonards 
Tochter, das entzückende Aquarell, wäre ein Bissen für das Hotel Drouot; wir bieten einst- 
weilen 60.000 Franken. Köstlich ist eine Buntstiftdame von Liotard, deren schwarze Spitzen- 
säumchen sich gar pikant machen, dann von Isabey seine eigene Frau, in düsterer Auf- 
donnerung doppelt pikant. Füger zeichnet die schöne Gräfin Fries in Tusche, Ranftl 
aquarelliert sein „Mutterl" mit gar herzhafter Farbigkeit. Der virtuose Bleistift des Vor- 
märz bekundet sich an Danhausers Selbstporträt, das so an Heine erinnert, und an der 
leicht hinskizzierten Schönheit seiner Mutter, aber auch an Kraffts Radetzky-Skizze. Und 
dazu etwas Lebensgroßes für die Literaturgeschichte, wie Grillparzers Jugeudbildnis, 1820, 
von Scheffer von Leonhardshoü". Bis in die Moderne herein setzen sich diese Bildnisse fort. 
Ein Damenbildnis von William Strang ist ein Musterbeispiel von modernem l-Iolbein, 
Londoner Gepräges. Und von Böcklin ist gar ein Sepiaporträt Gottfried Kellers, von 1889, 
vorhanden, gewiß eine Doppelrarität. Aus dern Kaiserhaus ist eine kleine Galerie zusammen- 
gestellt durch die Jahrhunderte hinauf. Bei Pompeo Battonis (auf einem alten Stich lasen 
wir einmal drollig orthographiert: „Bombeo Battoni") Kreide-Doppelbild Josef II. und 
Leopold II. möchten wir auf dessen großes Ölgemälde gleichen Inhalts beim Grafen Karl 
Lanckororiski hinweisen. In diese Reihe fällt das übergediegene Miniaturbild des Gründers 
der Albertina, von Isabey. Kaiser Franz Joseph I. interessiert ganz besonders in seinem 
ersten nach der Thronbesteigung gemachten Bildnis in Bleistift von Prinzhofer, das den 
ganzen Reiz der Knospenzeit ausstrahlt. Und selbstverständlich fehlt auch das liebreizende 
Jugendbildnis der Kaiserin Elisabeth, von Raab, nicht. Und dann diese Miniatur einer 
Miniatur: Kaiser Franz, von Fendi. Und diese ergreifende Todesidylle: der Herzog von 
Reichstadt auf dem Totenbett, von Johann Ender. Manche der Miniaturen haben für unser 
Gefühl noch einen ganz zeitgeschichtlichen Reiz, es atmet noch Gegenwart darin. So ist das 
Jugendporträt des Erzherzogs Albrecht, noch mit blondem Haar und Bart, oder Benedeks 
Jugendbildnis, von Prinzhofer. Die Reihe schließt rnit einem zierlichen Aquarell Ottokar 
Walters, das den Kaiser mit dem Erzherzog Franz Ferdinand darstellt. Die Direktion der 
Albertina macht sich in der Tat um alle Kunstfreunde verdient, indem sie ihnen so mühe- 
lose und genußreiche Blicke in die Intimitäten der Kunstgeschichte gewährt. 
INE MODERNE KIRCHE. Am 8. Oktober ist die großartige Anlage der Heil- 
und Pflegeanstalten des Landes Österreich unter der Enns, für Geistes- und Nerven- 
kranke, eröifnet worden. Erzherzog Franz Ferdinand erschien persönlich zur Schlußstein- 
legung der neuen Kirche, welche die neue weiße Stadt „am Steinhof", auf dem Hügel über 
Baumgarten (XIII. Bezirk), krönt. Es ist wirklich eine aus dem Boden gezauberte Stadt von 
60 Gebäuden auf einem Areale von i,43o.oo0 Quadratmeter mit 142.000 Meter Straßen und 
Wegen, 9000 Meter Wasserleitung, x00.ooo neu versetzten Bäumen, 306.000 Quadratmeter 
Rasen und Wiesen und so weiter. Alles Ähnliche in der Welt ist dieser Anstalt unähnlich, 
denn sie läßt alles weit hinter sich. Die Anlage rührt von Otto Wagner her, die Ausführung 
ist bauamtlich, bloß die Kirche hat der Entwerfer selbst gebaut. Wagners Ideen zum 
modernen Kirchenbau sind seit seinem platonischen Projekt für Währing (xSgB, Sezession) 
bekannt und haben sich seither auch im Ausland durchgesetzt. Baudots St. Jean de 
Montmartre, voriges Jahr vom Erzbischof von Paris geweiht, ist so gebaut. Und in Great 
Varley bei London hat Reynold Stephens eine förmlich ultrasezessionistische Kirche 
errichtet, die selbst vom Londoner Erzdechanten Sinclair begeistert gelobt wird. Das 
Modell für Otto Wagners neue Kirche war 1905 in der Sezession ausgestellt, der Bau 
wurde ungemein rasch geführt. Er kostete bei durchaus echtem Material 575,000 Kronen. 
Die Anlage ist einfach; ein lateinisches Kreuz mit sehr kurzen Armen, von einer über- 
höhten Kuppel gekrönt, deren intensive Vergoldung wie die Flamme eines Leuchtturms in
	        
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