hundert, erkennen zu dürfen. Mit der Zeit ist er, mit dem heutigen, stilkritisch
geschärfteren Auge betrachtet, in eine weit spätere Zeit hinaufgerückt. Der
Typus des Stuhls mit dem kastenartigen, geschlossenen, durch Säulen-
galerien durchbrochenen Sitzgestell, dem seitwärts ausladenden Rücklehnen-
brett ist unstreitig romanisch. Ähnliche Formen lassen sich unschwer für
das hohe Mittelalter in den literarischen Quellen nachweisen, und insofern
bietet er mit andern unterdes im hohen Norden bekannt gewordenen Ge-
nossen ein unschätzbares Dokument für die Möbelkunst des hohen Mittel-
alters. Auch die hochinteressante und stilvolle Ornamentik, besonders der
unteren umlaufenden Leisten redet die Sprache der romanischen Zeit. Aber
sie beweisen allein kein so frühes Alter, denn wir wissen heute, daß infolge
der kulturellen Bedeutungslosigkeit der nordischen Länder seit dem
späteren Mittelalter die künstlerischen Ausdrucksformen dort oben eine
Art Dornröschenschlaf geschlafen und unter Übergehung der Gotik die
Renaissance auch wieder romanisch erfaßt haben. Das eindrücklichste Bei-
spiel in Stil und Technik sind isländische Schnitzarbeiten bis auf die neue
Zeit. Tragen neben dem Ornament auch die Tier- und Menschenköpfe noch
ein sehr archaisches Gepräge, so werden dagegen die figürlichen Reliefs
zum Verräter an der späten Entstehung. Simson auf dem Löwen reitend an
der rechten Seite, die beiden Ritter an der Rückwand haben freilich in
Kostüm und Rüstung Anklänge an das frühe XIV. Jahrhundert, aber die
Vase mit der menschlichen Maske und der stilisierten Pflanze, die aus ihr
hervorsprießt, hat einen fast renaissancemäßigen Charakter, und der aus
drei Paaren bestehende Reigen an der äußeren Rückenlehne ist in Haltung
und Stimmung kaum mittel-
alterlich, wozu noch kommt,
daß der ausführende Künst-
ler hier, wo er sich nicht an
traditionelle Typen anlehnen
konnte, in den Frauenkostü-
men stilistisch wie formell in
seine Zeit, das XVI. Jahr-
hundert, herübergriff. Dieser
Reigen ist darum gegenüber
den anderen in der Stileigen-
art außerordentlich kräftigen
und frischen Reliefs auch
wesentlich Hauer. Der Stuhl
ist aus Fichtenholz und bis
auf die obere Säulengalerie,
die ergänzt ist, von ausge-
zeichneter Erhaltung (Abb.
93 und 94). - Wenn auch
_ _ Abb. x05. Imarsiener Faltschemel, deutsch, XVILJahrhunden.
m wesentlich anderer Aus- Hab. m4„ 3m, o," Mm,