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Volltext: Monatszeitschrift X (1907 / Heft 12)

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Tier befriedigt über die eigene Schönheit und Majestät wiedersieht. Die Dame 
gehört nach dem Wappen dem Hause Le Viste an und ist auf den übrigen 
Gobelins dieser Reihe in verschiedenen Szenen ihres tugendhaften Lebens 
verherrlicht. Das Einhorn wird hier somit Symbol ihrer Keuschheit, der Löwe 
Symbol der Stärke ihres christlichen Glaubens. 
Eine Darstellung der Jagd Findet sich auf einem leinenen Handtuch der 
vormaligen Sammlung Hefner-Alteneck. Ein Jäger und drei Hunde hetzen 
das Einhorn in den Schoß einer 
Jungfrau. Das über dieser Szene 
liegende Spruchband ist so zu 
lesen: „Ich und du fallen, du hebes 
an". Diese Worte bedeuten also 
den Verlust der Jungfräulichkeit 
bei dem Mädchen und die darauf 
folgende Erlegung des Einhorns. 
Daß der mystischen Jagd des Ein- 
horns stets auch ein sinnlicher 
Gedanke zu Grunde lag, muß ich 
hier besonders betonen, weil die 
Darstellungen der Verkündigung 
Mariens nur in dieser Weise zu er- 
klären sein werden. Den frühesten 
, Beweis für diese Erklärung haben 
wir in der Klagenfurter Handschrift 
des Physiologus, und das vor- 
erwähnte Handtuch der Sammlung 
Hefner bietet hiefür nur eine späte 
Bestätigung. Die Darstellung auf 
der durchbrochen gearbeiteten 
Zierplatte einer Jagdflinte aus der 
zweiten Hälfte des XVIII. Jahr- 
Wange des Chorgestühls im Münster zu Konstanz hunderts mutet uns an: als Ob sich 
(Der rZinkstock ist der Zeitschrift „Schauinsland, Frei- das Einhorn von den-l Weiblichen 
burg l. B." entnommen, ebenso jener des Dominikaner- . . 
breviers und der Schongauer Tafel) Wesen abwendes wen dle erste 
Bedingung, die Jungfrauschaft 
nicht zutreffen mag. Die Brust des Weibes ist hier entblößt, um entsprechend 
vielen alten Texten das Tier anzulocken. Die gleiche sinnliche Behandlung 
des Stoffes finden wir auf dem Kragstein im Kreuzgang des ehemaligen 
(1344 vollendeten) Zisterzienserklosters Neuberg in Steiermark, weiters im 
Herrenchor der ehemaligen Klosterkirche zu Maulbronn, im Gestühl des 
hohen Chores des Cölner Domes und auf zwei Chorwangen des Konstanzer 
Münsters. 
Jetzt werden wir den Sinn der Darstellung auf der eingangs genannten 
Plakette und auf weiteren kunstgewerblichen Arbeiten leichter verstehen.
	        
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