6eäft und den Hängezweigen im Schnee. Wie fcbön fie im Früh»
ling mit ihrem weißen Geblühe ftrahlt! flber auch ihr fommer»
liches Grün, aus dem die hellen, unreifen Früchte rot heraus
hängen, ift fchön - befonders fcbön, wenn die Kinder in der
Sonnenglut binaufklettern und ficb an den dunklen Kirfchen laben.
Der Herbft aber - der ift ganz prachtvoll. Wir wiffen von manchen
Bäumen, deren Farbenbuntbeit uns im Herbft erfreut. Aber
diefes Rot, in dem die Kirfcbbäume verbluten, gießt ficb fo merk»
würdig in unfere märkifche Landfcbaft hinein, daß ein jeder Land»
fchaftskünftler beglückt fein follte, wenn ihm folche Dinge zu
Gebote fteben. □
In Dahlem bat man dies Gefchenk einer früheren Zeit, die jene
Bäume pflanzte, mißachtet. Man bat noch mehr mißachtet. Hat
die reizvollen Senkungen und Hebungen des Terrains, leichte,
wellige Abwecbflungen, unbeachtet gelaffen. Ja, man bat fie zer*
ftört. Anftatt fie zu einem Schmuck zu benutzen und ihnen die
Straßen anzufchmiegen. So lächerlich gerade, wie man die Rieb»
tung der Straßen angelegt bat, fo unangenehm eben bat man
auch das Niveau der Straßen ausgebildet. Man bat planiert,
man hat geebnet. Jede kleine Erhöhung hat man abgekarrt.
Jede geringe Senkung bat man ausgefüllt. Man hat geglättet.
Und dabei waren alle diefe kleinen Steigungen und Gefälle fo
geringfügig, daß fie dem Verkehr kein Hindernis geboten kätten.
Jedes Pferd hätte fie überwältigt. Ohne große Anftrengung. Und
was für ein Riefenverkehr hätte ficb denn entwickelt in diefen
füllen Straßen einer Landhauskolonie? Selbft der Kanalifation
und dem Röbrenwerk der Gasanftalten, Waffer» und Elektrizitäts»
werke hätten die kleinen Terrainunterfchiede keine nennens»
werten Schwierigkeiten geboten. □
Nun ift alles dahin. Durch die Hügel find die febon fo oft ge»
fcboltenen geraden Straßen trot) aller fo eifrig gepflegten De»
batten gefebnitten worden. Der Dorfteich, der ein erfrifebendes
kleines Wafferbild gegeben hätte, ift zugefchüttet. □
Und fo ift wieder einmal eine Gelegenheit verfäumt worden,
ein gutes Beifpiel zu geben und von unterer Stadt das peinliche
Wort von den häßlichen geraden Straßen zu nehmen. Gefchieht
uns nicht recht, wenn in unterer Zeit, wo ficb überall das Gefühl
für die Landfcbaft und ihre Bebauung hebt und ficb oft glück»
lieb äußert - wenn wir da ausgelacbt werden, weil uns folche
befchämende Entgleifung wie in Dahlem paffieren kann? □
Man bat dazu noch ein übriges getan und fcheußliche rote Käften
mit fcbmalbrüftigen Fenftern und lächerlichem Getürme bingefetjt.
Das Befte bat noch der Beamtenwobnungs=Bauverein errichtet,
der doch wenigftens fcblicbt und fchön geputjte Faffaden bat auf»
führen laffen, deren einziger Schmuck die angenehmen Umriffe, die
gemütlichen Fenfteröffnungen und die blumigen Loggien find. □
Diefes Dahlem ift nur ein Beifpiel. Gleiches ift zehnfach, ja
hundertfach in und um Berlin und in anderen deutfehen Städten
unternommen worden. Faft immer, wenn irgend ein Terrain
erfchloffen werden foll, wird das Lineal angelegt und keine Rück»
ficht auf das genommen, was vorhanden ift. Ein wenig Liebe
für die alten Dinge, eine gemütvolle Intimität mit dem, was auf»
geteilt, was bebaut werden foll, ift durchaus vonnöten. Und wenn
der Bebauungsplan für Großberlin nicht wieder eine febematifebe
Aufteilung des Geländes werden foll, wenn ihm nicht all die
kleinen und doch fo unfagbar reizvollen Schönheiten zum Opfer
fallen follen, dann müffen feine Autoren keine Mühe febeuen,
ficb mit ihnen vertraut zu machen. Es lohnt ficb reichlich. Sonft
bauen fie alle die fchönen alten Bäume fort und febneiden fchnur»
gerade Straßen, wie fie es in Dahlem getan haben. Vor allem
follten fie die alten Wege beachten und hüten. Sie find gar zu
gering geachtet worden. Der herrliche Weg, der von Zehlendorf
nach dem fchönen Kleinmachnow führte, ift auch einer ftaubigen
Cbauffee gewichen. Desgleichen der Weg, der von Kleinmachnow
nach Wommfen hinleitete. Und von dem alten Weg zwifchen
Wilbelmshagen und dem neuen Krug ftebt auch nicht mehr viel.
Wenn fchön aus den alten Sandwegen neue Straßen gemacht
werden - man follte aber ihre bübfehe Linie nicht gewaltfam
zerftören und ihren alten Baumbeftand abfcblacbten. Es dauert
Jahrzehnte, bis ein junger Baum das leiftet, was der alte fpendete:
Schatten und Schönheit. Das follten alle fcbnellwacbfenden Städte
inne werden. □
DHS NEUE KUNST6EWERBE IN DEUTSCHLAND
EINE GESCHICHTE DER MODERNEN
BEWEGUNG IN CHARAKTERISTIKEN
VON JOSEPH AUG. LUX
SELBSTANZEIGE
ie Erneuerung des Kunftgewerbes und der Architektur in Deutfcbland
während der letzten zehn fruchtbaren Jahre und die Charakteriftik
der großen Erneuerer ift der Inhalt meines Buches, das im Verlag von
Klinkhardt & Biermann in Leipzig erfchienen ift. Etliche 80 Tafeln follen
das Getagte auch bildlich charakterifieren und das Wort fmngemäß er»
ganzen. □
Das Jahr 1897/98 ift keineswegs der Beginn der modernen Bewegung,
fo wenig wie das Jahr 1908 der Abfcbluß ift. Vielmehr gehen viele
Jahre oder Jahrzehnte innerer Gärungen voraus, einzelne Anläufe,
perfönliche Beifpiele von Heroismus, Eroberer» und Märtyrertum, die
ficb wiederholen, bis es auf der ganzen Linie lebendig wird und die
Welle hereinbricht. □
Das war um diefe Zeit, als die Welle Achtbar wurde, die das Niveau
von unten auf emporbob. Einige Sturmjahre waren vorausgegangen,
die Zeichen von Paris, Dresden und München gegeben, als die lang
vorbereitete innere Revolution fchließlich in die äußere Erfcbeinung
trat. Das ift dann der offizielle Beginn einer neuen Epoche, obzwar
ihre Wurzeln weit hinten liegen, deren Verzweigung zurückzuverfolgen
zunäcbft nicht meine Abficht war. Der genannte Zeitpunkt aber brachte
die umfaffenden Achtbaren Beftätigungen der künftlerifcben Umwäl»
zungen, die Künftlerzufammenfcbtüffe in München, in Wien und in
Dresden, das Erfcheinen der Kunftzeitfchriften als Scheinwerfer der
neuen Stilgedanken, die Gründungen von Werkftätten auf der neuen
geiftigen Grundlage. 1901 überrafebte Darmftadt mit den erften Bei»
fpielen abgerundeter einheitlicher Leiftungen, die Architektur und Innen»
ausftattung aus einem Guffe vollendeten. Es war ein Höhepunkt,
trot) der Entwicklungsfähigkeit, die auf reifere Früchte hoffen ließ. Im
Prinzip aber war das große Beifpiel gegeben und die folgenden Jahre
brachten kein Ereignis von annähernder Bedeutfamkeit. Faft febeint
es, als ob die Welle zu kurz gewefen wäre. Ein großer Teil der
Kräfte fank alsbald zurück in das bequeme Stilbett der Überlieferung,
und alles fchrie nach Anpaffung. Einige fiedelten ficb bei Biedermeier
an, andere bereiteten fich in der fogenannten Heimatkunft ein be»
quemes Neft, und wieder andere batten ein Spezialgebiet in der
Kunftgefchichte gewählt und eine feltfame Art von moderner »Um»
Wertung« unternommen. Heute, nach knapp zehn Jahren, ift die Mehr»
heit der einftigen Stürmer auf ein paar Dogmen geeinigt. □
Die biftorifeben Stile find nur umfrifiert, keineswegs überwunden.
Bei den meiften bat’s nicht weiter gereicht. □
Ich grüße jene, die Kraft und Mut befeffen, ihr Selbft im Einklang
mit dem modernen Leben zu behaupten und die Wett mit den feltenen
Beifpielen der fehöpferifeben Zuverficht zu beglücken. □
Der Band enthält außer dem Vorwort folgende Kapitel: Der Weck»
ruf des Pan, Die Erneuerung des Kunfthandwerks in England, Die
Erneuerung der Ornamentik, Wiens heiliger Frühling, Deutfcbe Werk»
ftätten (München und Dresden), Bruno Paul, Richard Riemerfcbmid,
Hermann Obrift, Bernhard Pankok, Jofepb M. Olbrich, Peter Behrens,
Paul Scbulze=Naumburg, Zehn Jahre Kunftunterricht, Die Ausftellungen,
Architektur, Die gewerblichen Künfte im Umkreis der Architektur,
Induftrie und Kunft. □
267