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Seit 1848 in Krakau ansässig, übernahm er die Redaction der eben gegründeten Zeitschrift
Czas; die politische Leitung desselben gab er bald auf, den literarischen und kritischen
Theil behielt er aber bis zu seinem Tode. Man darf ohne Übertreibung behaupten, das;
er von dieser bescheidenen Stelle aus das Niveau der literarischen und ästhetischen Kritik
in Polen wesentlich gehoben hat. Besonders um die Kunst und deren Geschichte hat sich
Siemienski ungemein verdient gemacht, indem er auf diesem kaum berührten Gebiete richtige
Begriffe und Kenntnisse zu verbreiten, das Interesse für Kunst zu wecken nnd den Geschmack
zn bilden verstand. Seine größeren Abhandlungen, die er unter dem Titel Literarische
Porträts herausgegeben hat, können als eine Bildergallerie gelten, in welcher Schrift
steller aus allen Epochen meist treffend charakterisirt sind. Ein Meister des Stils übertras
er an Einfachheit, Leichtigkeit und eleganter Klarheit alle seine Zeitgenossen. Von ernster
Denkungsart, zeichnet sich Siemienski doch auch durch feinen schalkhaften Witz aus. Die
prosaischen Arbeiten vermochten den Dichter nie gänzlich zu unterdrücken, doch wußte der
kluge nnd hochgebildete Mann sich weise zu beschränken. Dieser Einsicht verdanken wir eine
beträchtliche Anzahl reizender kleiner Gedichte, köstlicher Fabeln und meisterhafter Über
setzungen, vor Allem der Odyssee, aber auch einer Auswahl Horazischer Oden und religiöser,
zum Theil mystischer Hymnen mittelalterlicher Dichter, sowie der Sonetten Michel
Angelo's. Er starb zn Krakau 27. November 1877.
Mit Siemienski durch Freundschaft und Gesinnung eng verbunden, ihm durch seinen
Wirkungskreis ähnlich, an Talent aber von ihm sehr verschieden, ist Stanislaus Kozmian
(1811 bis 1885). Dichter, Übersetzer, Kritiker und Publicist (Nedacteur der katholischen
und conservativen Posener Revue) legt Kozmian in seinen originellen Gedichten viel
Talent an den Tag, erwirbt sich aber durch seine in Gemeinschaft mit Josef Paszkowski
nnd Leo Ulrich vollzogene Shakespeare-Übersetzung noch größeren Ruhm. Seine prosaischen
Schriften erreichen nicht Sicmienski's Feinheit, übertreffen ihn aber an Tiefsinn nnd Ernst.
Wie überall in Europa, so gelangte auch hier die Journalistik in der zweiten Hälfte
unseres Jahrhunderts zn einer vorher ungeahnten Bedeutung. Vor dem Jahre 1830 war
von einem politischen Charakter der Zeitschriften kaum die Rede, später ließ die Censur
einen solchen nicht zu. Die Journalistik aber, die sich unter der Emigration in Frankreich
ausgebildet hat, bewegte sich in einer radical-revolutionärcn Rhetorik, der es an wahrhaft
politischen Gedanken gebrach. Dem polnischen Publikum fehlte jene politische Erziehung,
die nur in Ländern möglich ist, wo Bücher und Zeitschriften frei geschrieben und frei
gelesen werden dürfen. Es blieb daher naiv. Da kam das Jahr 1848 und bewies, was
früher nur einem beschränkten Kreise bekannt war, nämlich, daß die Revolution ein
Synonym der Anarchie, nicht aber der Freiheit und Gerechtigkeit sei. Einige Männer, die
seit Jahren höhere Politische Bildung nnd Erfahrung besaßen, darunter der bereits