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Neues. Die aus pharaonischer Zeit stammende Collection des Comm.
Clem. Maraini in Rom enthielt nur ungemusterte Leinenfragmente, theil-
weise von außerordentlicher Feinheit, darunter eines mit aufgedruckten
(oder gemalten?) Streifen von Schriftzeichen, angeblich von der Mumie
Thutmes III.
Zwischen diesen Repräsentanten des Alterthums und den orientali-
sirenden Erzeugnissen des normannischen Sicilien bleibt die Lücke ebenso
leer wie in den nordischen Sammlungen; ja selbst die paar antikisirenden
Fragmente von SeidenstoEen, die man im Norden gefunden hat, sowie
Reste sassanidischer Fabrication fehlten in Rom gänzlich. Ein Stück der
Sammlung Gandini (Nr. 50), das als aus einem altrömischen Grabe
stammend den ersten christlichen Jahrhunderten zugeschrieben wurde,
stellte- sich bei genauerer Betrachtung nicht als Stickerei - wie der
Katalog will - sondern als Gewebe heraus, dessen Musterung in Wein-
laubranken und Adlern frühestens dem 14.. Jahrhundert zugeschrieben
werden kann. Was ferner die sogen. Dalmatik Karl's des Großen betriEt,
so wird dieselbe jetzt allgemein und wohl mit Recht für eine byzan-
tinische Arbeit des 11. Jahrhunderts angesehen.
Erwies sich also die Ausstellung für die Erforschung der frühmittel-
alterlichen, vorwiegend im Oriente heimischen Textilkunst bedeutungslos,
so gewährte sie dagegen eine vollendete Uebersicht über die italienische
Weberei, Stickerei, Spitzenfabrication und Gobelinwirkerei bis auf unsere
Zeit herab. Sie beginnt mit dem Augenblicke, da die arabische Seiden-
weberei auf italienischen Boden verpflanzt wurde. Für diese Primitiv-
stufe der Seidenweberei sind einige Fragmente der Sammlung Guggen-
heim sehr lehrreich, die in Gold oder Purpur über leinener Kette gewebt
noch ganz den Stilcharakter der Gobelinverzierung zur Schau tragen.
Ein größeres Stück von seltener Trefllichkeit der Erhaltung aus verhält-
nissmäßig früher Zeit (13. Jahrh.) hatte das römische Kunstgewerbe-
museum ausgestellt: eine Cappa von rother Seide, mit Falken und Ga-
zellen, theilweise in Gold gewebt.
Von älteren Stickereien wurde man durch zwei Pluviale überrascht,
die in Composition und technischer Ausführung in eine Gruppe mit den
zwei Caseln und zwei Pluvialen von St. Paul in Kärnten und St. Michael
in Salzburg gehören und deutschen Ursprunges sind. Die Anordnung
ist noch etwas reicher, die Erhaltung namentlich an jener, die der Kathe-
drale von Pienza als Vermächtniss ihres Stifters Pius ll. angehört, aus-
gezeichnet; die zweile ist Eigenthum des Laterancapitels. Wie man im
14. Jahrhundert in Italien stickte, konnte man an der von 1366 datirten
Fahne von Santa Fosca auf Torcello sehen. Der Gedanke ist auch hier
noch der von der Gobelinverzierung herübergenommene: die ganze
Leinenfläche mit Stickerei zu bedecken, nicht nur die Figuren innerhalb
der Contodren, sondern auch den Grund dazwischen auszufüllen; aber
der Stil der Figuren und Architekturen weist deutlich auf die Nähe des
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unter byzantinischem EinHusse stehenden Venedig. Für die Heranziehung
der Malerei zur Ausschmückung von Textilwerken war eine venezianische
Galeerenliagge bernerkenswerth, mit dem Löwen von San Marco und
einigem Beiwerk in Gold gemalt auf rother Seide - ein Ueberbleibsel
des I5. Jahrhunderts.
Aus der Renaissancezeit waren namentlich Arbeiten in sogenannter
burgundischer Technik zu sehen, die in Präcision der Ausführung und
Schönheit der Zeichnung selbst hinter den berühmten Gewändern des
goldenen Vließes nicht zurückstehen. Die hervorragendsten Stücke dieser
Art waren "ein Antependium aus dem Mailänder Domschatze und ein
anderes aus dem Ospedale della Scala in Siena, ferner Casel und Mitra
aus den Sammlungen des Museo civico zu Perugia. Von Werken der
sogenannten Nadelmalerei wäre zu erwähnen eine vorn Museo civico zu
Turin eingesandte Stickerei mit den weiblichen Repräsentantinnen der
vier Elemente in ornamentaler Umgebung, die in Technik, allegorischem
Charakter der Darstellung und Unklarheit der ehemaligen praktischen
Verwendung die engste Verwandtschaft mit einer vom Oesterr. Museum
erworbenen gleichartigen Cinquecento-Stickerei zeigt.
Von Spitzen waren natürlich die altvenezianischen Arten am zahl-
reichsten vertreten, ihnen zunächst die französischen. Wer dem Kataloge
Glauben schenkte, konnte auch die venezianische Urspitze bewundern.
Der Katalog bewies aus den darauf befindlichen Initialen des Papstes
Martin V. Colonna ganz zweifellos, dass die Arbeit vor 14.30 - dem
Todesjahr des Papstes - entstanden sein musste, daher das älteste
venezianische Spitzengenre repräsentirt. Für den Kenner freilich war
es ebenso zweifellos eine vortreffliche spanische Goldspitze aus dem
I6. Jahrhundert.
Ganz außerordentlich reich war die Ausstellung an Wandteppichen.
Kaum irgend eine Fabricationsstätte von Gohelins erschien übergangen.
Das meiste Interesse beanspruchten natürlich die im Auslande nur sehr
wenig oder gar nicht gekannten Werke italienischer Herkunft, namentlich
die Barberinischen Teppiche aus der Zeit Urban's VIlI., nach Cartons
von Malern der späteren römischen Schule, Romanelli und Consorten.
Auch die zahlreichen Gobelinfabriken der italienischen Fürstenhöfe des
18. Jahrhunderts waren vertreten, so Neapel und Turin. Von ihnen allen
ist zu sagen, dass sie weniger schön als rar sind.
Der modernen Textilkunst war ein großer Raum gegeben. Die ober-
italienischen Seidenweber sind dem Zuge der Zeit gefolgt und bei der
Archäologie in die Schule gegangen; die meiste Anleihe machen sie
gegenwärtig bei der Barockzeit. Die moderne venezianische Spitzen-
industrie. ist in der Wiedererweckung der alten Techniken ziemlich vor-
geschritten; minder zu loben ist die vielfach unreine Zeichnung. Was
von modernen Stickereien ausgestellt wurde, ist eben, wie es hei derlei
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