artigen Aufsätze ist durch kleine Grisaille-Malereien ausgefüllt, welche minder
wichtige Begebenheiten aus dem Leben Mariä darstellen. Für die eigentliche
Raumgliederung der Kuppelüäche und die Trennung der einzelnen Haupt-
bilder aber bedurfte der Künstler noch anderer Mittel. Er gewann sie in
geistreicher Weise nicht durch bloß architektonische Ornamentik, welche,
wie geschickt auch angeordnet, doch die Einheit des Gewölbes zerrissen
hätte, sondern durch lebendige, unmittelbar anschauliche Kräfte: lebhaft
bewegte Engelsgestalten, welche auf jenen gemalten Sockeln in Gruppen
stehen oder sitzen, die zu beiden Seiten sich abspielenden Vorgänge aus-
drucksvoll in Haltung und Bewegung spiegeln und sie so räumlich trennen,
geistig untereinander in Beziehung bringen. In den Zwickeln der die Kuppel
nach der Altarseite hin tragenden Pfeiler sind zwei Evangelisten gemalt, vom
reichsten Linienspiel der Barockkunst umrahmt, welches sich bis zum Kuppel-
rand hinaufzieht (Abb. 8). Das Ganze wird im gedanklichen Sinne schön ab-
geschlossen durch die Bilder in den Gurtgewölben des Presbyteriums und
der Eingangshalle: dort die Vision des Propheten Ezechiel, welcher, auf den
Trümmern der alten Welt ruhend, in den Wolken des Himmels die Jungfrau
mit dem Kinde als die Sonne einer neuen Welt erschaut; hier eine Art Dis-
puta, die dogmatische Entwicklung des Mariengedankens in der christlichen
Theologie darstellend.
Diese große Arbeit, welche {898 entworfen, 189g und 1900 ausgeführt
wurde, war aber nur die Vorstufe für die bedeutendste Leistung des Künstlers:
die malerische Ausschmückung der Wallfahrtskirche zu Haindorf im nord-
westlichen Böhmen, nahe bei Stadt und Schloß Friedland. In mannigfacher
Beziehung eine verwandte Aufgabe. Auch hier eine Marienkirche, eine be-
rühmte Wallfahrtsstätte; auch hier der treffliche Bau, den eine gut beglaubigte
Tradition auf den größten Meister des österreichischen Barockstils, auf Fischer
von Erlach, zurückführt, unvollendet, das heißt in bezug auf Innendekoration
völlig schmucklos gelassen. Der prächtige Innenraum - eine Eingangshalle
mit Orgelchor; zwei große Traveen mit Nischen und Emporen, über denen
mächtige Fenster eine Fülle von Licht ergießen; eine Kuppel; an sie an-
schließend das Presbyterium; breite, schön gegliederte Flächen - schrie
förmlich nach dem malerischen Schmuck, den der Barockstil so freigebig in
seinen vollendeten Schöpfungen angebracht hat (Abb. g und 10). Es war ein
glücklicher Gedanke, die Notwendigkeit einer durchgreifenden baulichen
Restauration der Kirche zu benutzen, um dem Ganzen auch künstlerisch
seine Vollendung zu geben. Die gräfliche Familie Clam-Gallas, deren Erb-
begräbnis sich in der Haindorfer Kirche befindet, besitzt auch das Patronats-
recht über dieselbe und dem Kunstsinn des gegenwärtigen Majoratsherrn,
des Grafen Franz Clam-Gallas, ist es in erster Linie zu danken, daß, aller-
dings unter Mitwirkung von Reich und Land, der große Auftrag erteilt und
ausgeführt werden konnte. Die größeren Raumverhältnisse der Kirche ge-
statteten dem Künstler breitere Entfaltung. In die beiden großen Gurtgewölbe,
welche das Längsschiff überspannen, malte er Verkündigung und Geburt und