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Die assyrische Bau-
kunst hat vorwiegend
jene Treppenformen
ausbilden können, die
durch Verlagerung oder
Anlehnung an den Un-
terbau der Terrassen
entstanden. Die ägyp-
tische Architektur kennt
wohl auch jene frei
zu kleinen Tempelan-
lagen führende einarmige
Treppe, welche später
die römische Baukunst
übernahm (von den so-
genannten Typhonien),
sonst aber sind dort
Freitreppen seltener. Im
Innern der Bauwerke
bleibt die Treppe noch
Nutzbau. In den mäch-
tigen Pylonen füllen in
der Regel mehrarmige
Treppen den hohlen
Kern. In den kolossalen
Pyramiden führen zu-
meist Rampen zu den
Grabkammern. Solche
Anlagen haben sich
nicht zur Kunstform erhoben und es scheint, daß der ägyptische Baukünstler
dem sichtbaren Stufenbau weniger zugeneigt war wie der assyrische und
persische. Asien ist so die eigentliche Heimat großartiger Treppenbauten
geworden.
Indien schwelgte gleichfalls in kolossalen Substruktionen und reichen
Stufenbauten und in der Pagode hat das östliche Asien eine abnorm hohe
Form des Etagenbaues entwickelt. (Die Stufenpyramide der Ägypter hat
nichts mit Geschossen zu tun.)
Vielleicht hängt das Vorbild der gewaltigenBerge,welche das östliche und
südliche Asien kennen, mit der Vorliebe der Asiaten zusammen, ihre Tempel-
bauten hoch in die Wolken ragen zu lassen und dem Irdischen zu entrücken.
Während Ägypten auch seine größten Bauwerke wie aus einem einzigen
Felsblock gemeißelt erscheinen läßt und selbst die Pyramiden mit polierten
Granitplatten bedeckt, sieht der Asiate in der Vielgeschossigkeit seiner Bau-
werke einen besonderen Reiz. Aus verhältnismäßig kleinen Elementen baut
Kapellenaufgang in Schwaz (Tirol)