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Volltext: Monatszeitschrift XI (1908 / Heft 11)

Seite der Plastik ist das Porträt. Die Büsten von Dietrich, Heller, Dr. von Felix, Fiedler 
(besonders natürlich), Melanie von Horsetzky (Fräulein Elli Marchet, wirksam in Licht 
und Schatten gesetzt), dann Leiseks Porträtstatuette (zwei Knaben, Bronze), Schäfers 
fein pointiertes Profil des Herrenhausmitgliedes A. von Peez, Gorniks Tiere (besser als 
seine Akte). Verschiedenes von Stundl, Weghaupts Majolikastatuette (sitzend) des Kaisers 
sind gewiß erwähnenswert. Aus Berlin haben Limburg und Adele Paasch Aktsachen 
geschickt, die viel bemerkt werden. Als Massengast tritt der Verein bildender Künstler 
von Steiermark auf, der ein ganz präsentables Niveau mitbringt. Interessant: Alois Prinz 
(„Noli me tangere"), Landschaften von O'Lynch von Town, Zoff, Damianos, Marussig, 
Pauluzzi. Die Radierungen von Kasimir, Coßmann. die Temperas von Marianne Stokes 
und andres mehr. In einem großen Saale hat man die Werke des verstorbenen Ober- 
baurats Friedrich Schachner zusammengestellt. (Porträt von Angeli.) Die vielen Zeich- 
nungen und Entwürfe spiegeln ein tätiges Künstlerleben ab. In der Mitte steht das einst 
viel umkämpfte Gipsmodell seines städtischen Museums neben der Karlskirche. Tempi 
passati. Verklungene Kämpfe bis aufs Messer. Mächtige Schläge ins Wasser von beiden 
Seiten. 
ÜSSISCHE MALER. Die Sezession hat ihren neuen Jahrgang mit einer 200 
Nummern starken Ausstellung neurussischer Bilder und Zeichnungen begonnen. Es 
sind an die 30 Künstler verschiedenster Richtungen beteiligt, was bei ihrem leidenschaR- 
lichen Parteigängertum in Rußland gar nicht möglich wäre. Zwei stark angeschlagene 
Noten bestimmen den Akkord, die Melodie dieser gemalten Lyrik. Das klammernde Wur- 
zeln an der heiligen russischen Scholle und die neueste westeuropäische Stimmungsschule. 
Der altmoskowitische Erdgeruch, ja Juchtengeruch wird zur Quelle künstlerischer Sen- 
sationen. Wie die Finnländer (Axel Gallen), geht der starke Vorzeiterwecker Nikolaus 
Roerich von seinen längst berühmten, archäologisch ausgestatteten Flottenschlachten und 
Lehmburgerstürmungen aus der Waräger- und Wikingerzeit bis in die nationale Sage 
zurück, die nur noch im Sange lebt. Das sind Stoffe für Fresko und Mosaik und es ersteht 
eine besondere malerische Weltanschauung. Außerdem sprudelt als überreicher Quell das 
XVIILjahrhundert. Nach dem gefeierten „hölzemen Rußland", dessen gediegener Block- 
hausstil gerade auch auf unserer Baukunstausstellung im Frühjahr so viel Erfolg gehabt hat, 
erscheint der üppige oder fiattrige Geist des russischen Versailles, Bagatelle und Trianon. 
Der Reiz eines moskowitischen Rokoko, dessen bekanntester Künder Konstantin Somow 
dieser Ausstellung fern ist, dann eines russischen Empire, eines russischen Biedenneier. 
Die süße Verzweiflung der Puschkin-Zeit und, nach langer Pause, das bittere Sousentendu 
der Tolstoi-Zeit, eine Gärung nach der anderen. Da baut denn Maljutin seine hölzernen 
I-Iäuser tatsächlich aus Lang- und Kurzhölzem als handgreifliches Reliefbild zusammen. 
Dobuschinsky pflanzt einen herausfordernden Barbaren Peter auf, mit einem gepanzerten 
Daumen, den er der Kulturwelt aufs Auge setzen wird. Bras, Srjedin und andere malen 
die verödeten Prunksäle aus den Adelspalästen von damals, in grauer Öde erstarrt, wie 
den der schönen Herzogin von Kurland, der Wiener Kongreß-Beaute, oder von der leben- 
digen Sonne durchleuchtet, wie die Brasschen lnterieurs aus dem Palais des Grafen 
Araktschejew, Zeit des cäsarischen Zaren Alexander. Die Reihe endet bei Tolstoi, der in 
Leonid Pasternak seinen Spezialisten gefunden hat. „Tolstoi im Kreise seiner Familie", 
abends, bei großem Larnpenschirmeffekt, ist ein ausnehmend duftiges Stimmungsbild. 
Und mehrere Seelen wohnen in der geräumigen Brust Boris Kustodijews, der schon 
voriges Jahr in Venedig so stark hervorgetreten. Er malt den Grafen Ignatiew farben- 
sprühend wie ein leibhahiger Besnard, dann aber auch eine lebensgroße russische Familie 
auf ihrer hölzernen Veranda mit einer gediegenen l-landwerkerei, die an unbeholfene, aber 
ehrliche, vor jeder Sitzung das Kreuz machende Provinzmaler der dreißiger Jahre erinnern 
mag. Und nach dieser Biederkeit wieder einen hageren, schwarzgekleideten Poeten von 
spießiger Silhouette, dem man gar nichts Biedermännisches zutraut. Und dann wieder,
	        
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