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Volltext: Monatszeitschrift XI (1908 / Heft 11)

' bis in sein hohes Alter ist ihm die bildende Kunst, ihre Schätzung, 
Pflege und Förderung eine Herzenssache gewesen, wie sie ihm in 
seinem nur der Arbeit geweihten Leben, in Tagen des Glücks und 
des Unglücks, immer eine Quelle der Freude und Erhebung war. 
Wie er in jungen Jahren selbst zeichnerisch tätig, sodann immer- 
fort sammelnd, schauend und lemend sich mit ihr auseinandersetzte, 
unablässig ihre Schaustellungen besuchte, aufstrebende Talente 
ermunterte, ihrer Erziehung und Betätigung seine wohlwollendste 
Aufmerksamkeit zuwandte, war es ihm eine der wichtigsten unter 
seinen zahlreichen Regierungssorgen, auch auf diesem Gebiet Schule 
und Leben auf eine neue Grundlage zu stellen. Nicht in dem Sinn, 
daß er alles reglementiert und nach den Grundsätzen seines per- 
sönlichen Geschmacks beeiniiußt und gestaltet wissen mochte, 
sondern aus der weisen und gütigen Stimmung des wahren 
Bildungs- und Kunstfreunds heraus, der die Wege bahnen, das 
Wandeln auf diesen Wegen aber vertrauensvoll jenen überlassen 
wollte, die kraft ihres Talents hierzu berufen erschienen. Die 
Geschichte der Kunst unter der Regierung Franz Joseph I. ist 
zugleich eine Geschichte der StadtWien, ihres Ausbaues und ihrer 
geistigen Kultur in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts. In 
ihr ruht der Beginn und die Ausgestaltung der modernen Bautätig- 
keit Wiens, welche, heute wohl nicht mehr in allen ihren Schöpfun- 
gen mit jener Begeisterung begrüßt wie in den Tagen ihrer Ent- 
stehung, doch zu ihrer Zeit die Bewunderung der ganzen Welt 
auf sich gelenkt hat. Vom Baubeginn der Lerchenfelder Kirche und 
des Arsenals bis zu den allermodernsten Werken unserer Tage ist 
in Wien in ununterbrochener Folge ein ungeheures Maß von 
ästhetischer, stilistischer, technischer und wirtschaftlicher Leistung 
aufgehäuft worden. Mögen wir immerhin heute wünschen, daß die 
Dinge damals, befruchtet durch die besseren Erkenntnisse und 
Einsichten unserer Tage, durch eine lebendigere Erfassung von 
Volksleben und Kunst, anders, als es geschah, wären ins Werk 
gesetzt worden, daß die große und umwälzende Stadterweiterung, 
die durch ein Machtwort des Kaisers erfolgte, mit mehr Schonung 
der alten, malerischen Reize der Stadt ins Leben getreten wäre -, 
wer aber möchte es wagen, in Abrede zu stellen, daß diese gewaltige 
Umgestaltung eine unendliche Fülle von Talent und Schöpferkraft 
geweckt, ein außerordentliches Maß von Selbstzucht und Selbst- 
besinnung hervorgebracht und die Voraussetzungen für jene große 
Geschlossenheit künstlerischer Schulung gezeitigt hat, auf der alles 
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