MAK

Volltext: Monatszeitschrift XI (1908 / Heft 12)

U23 
gunde ganz undenkbar. Was wir uns unter diesen Ge- 
stalten zu denken haben? Der Zentaur galt seit dem 
frühen Mittelalter als Sinnbild der Weltlust; vielleicht 
ist hier also das weltliche Treiben gemeint, das um 
die Äbtissin tobt, sie selbst aber unbeirrt läßt. Ähnlich 
ist das weltliche Leben auf dem ungarischen Krönungs- 
mantel als Schlachtengetümmel um die in himmlischer 
Ruhe dasitzenden Apostel dargestellt; hier ist es welt- 
liche Jagdlust, die in den Frieden der Tiere des Waldes 
einbricht. Vielleicht darf man darin, daß sich der Hirsch 
so ruhig gegen die Kniende wendet, auch einen Zug 
gemütvoller Vertiefung erkennen. Auf eine kleine stili- 
stische Merkwürdigkeit möge hier noch hingewiesen 
werden, auf die eigentümliche Angabe des Rots auf den 
Wangen; sie ist so aber im XII. und XIILJahrhunderte 
üblich. Wir erinnern nur an die berühmten Teppiche 
im Chor des I-Ialberstädter Domes, wo auf den Wangen 
der Figuren kleine Kreisringe erscheinen, oder an die 
bei Bock in seinem Werke über die „Liturgischen Ge- 
wänder" (Band I, Tafel X) abgebildete Perlenstickerei. 
Wir wollen nun zur Betrachtung der Hauptdar- 
stellungen des Antependiums übergehen. In dem linken 
Kreise sehen wir die Verkündigung Mariens dargestellt; 
die herumlaufende Inschrift lautet: AVE - MARIA - 
GRACIA - PLENA - DOMINVSZTECV - BENEDICTA - 
TV. (Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der I-Ierr 
ist mit dir, du Gebenedeite!) An 
den Hauptfiguren und der herab- 
schwebenden Taube wäre im großen 
ganzen für den Kenner mittelalter- 
licher Kunst nichts Auffälliges zu 
bemerken; denn die sonderbar ver- 
schobene Form des Gesichtes Mariens beruht zum Teile 
nur auf nachträglicher Verzerrung des Grundstoffes. 
Sehr auffällig ist aber die Darstellung des kleinen Ein- 
hornes unten zwischen den beiden Hauptgestalten. Es 
kann hier auf die Entstehung und Bedeutung der Ein- 
hornlegende nicht näher eingegangen werden; wir ver- 
weisen auf die reiche Literatur, die Fr. X. Kraus in 
seiner „Geschichte der christlichen Kunst" anführt und 
die seither noch einige Bereicherung erfahren hat. 
jedenfalls scheint das Einhorn, ebenso wie der Löwe, 
schon im Physiologus das Mysterium der Inkarnation 
darzustellen; auch gilt das in den Schoß der Jungfrau 
Stola , XIII. Jahrhundert 
   
M.  
i; 
 
, qäuä, 
 
Stola, späuomanisch 
82'
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.