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Volltext: Monatszeitschrift XI (1908 / Heft 12)

vom Farbstoff zersetzt, heute manchmal ausgefallen. Andere Teile sind durch 
den Gebrauch abgewetzt, so daß die schwarze, anscheinend mit Rohrfeder 
oder Pinsel aufgesetzte Vorzeichnung sichtbar wird. Bemerkenswert ist, daß 
Fäden von ursprünglich offenbar gleicher Farbe ganz nahe bei einander sich 
oft sehr ungleich erhalten haben, eine Erscheinung, die man übrigens auch 
bei alten Geweben nicht selten beobachten kann. Man nahm in alter Zeit an 
kleinen Farbennuancen wohl keinen Anstand; es machen sich aber im Laufe 
der Jahrhunderte auch Verschiedenheiten geltend, die ursprünglich kaum zu 
bemerken waren. Wir wissen heute ja, daß Klima, selbst Witterung während 
des Spinnens, Färbens, Trocknens und natürlich auch die individuelle Ver- 
schiedenheit der Fäden nicht ohne Einfluß sind, wird doch die unerreichbare 
Farbe der Kaschmirwolle gerade den Einwirkungen des Klimas während 
des Färbens zugeschrieben. S0 unmerkbar die Unterschiede anfänglich sein 
mögemallmählich treten sie eben hervor. Es verleiten solcheVerschiedenheiten 
den unerfahrenen Beobachter oft dazu, Ausbesserungen oder Neuarbeit dort 
anzunehmen, wo sie tatsächlich nicht vorhanden sind. Gerade bei unserem 
Ornate ist, abgesehen von direktem Einsetzen ganzer Stücke, die übrigens, 
wie sich zeigen wird, durchaus andern Teilen desselben Ornats entnommen 
sind, verschwindend wenig nachgearbeitet worden und, wo es stattgefunden 
hat, ist es ganz deutlich zu erkennen; so etwa im Gesichte des Engels bei der 
Verkündigung auf dem Antependium (Abbildung auf Seite 617)". 
Der vorherrschende Stich ist eine Art Gobelinstich, zumeist der senk- 
recht, manchmal der wagrecht versetzte; hie und da, zum Beispiele in ein- 
zelnen Bogenformen der Kasel, gelangt er auch zu freierer Anwendung. 
Größere Teile der geometrischen Musterung, so die rechte Seite des Plu- 
viales (Abbildung auf Seite 625), sind in einfachem Zopfstich ausgeführt; 
andere Teile der geometrischen Musterung, zum Beispiele links unten an 
der Rückseite der Kasel (Abbildung auf Seite 633), sind in einer Art Zopfstich, 
die man heute als „persische Kreuznaht" bezeichnet, durchgeführt. An ein- 
zelnen Stellen, so bei der Darstellung von Gewandmusterungen, gelangt auch 
der Plattstich zur Anwendung. Die Umrisse (im Äußern und Innern der 
menschlichen Gestalten, der Tierfiguren und so weiter) sind im Stilstich 
ausgeführt. 
Der Grund der Stickerei ist schüttere Leinwand, das Stickmaterial, wie 
gesagt, offene Stickseide mit ganz schwacher Drehung, lungefähr das Ma- 
terial, das heute als „spanische" Seide bezeichnet wird. 
Die Flächen selbst sind ohne Schattierung ausgeführt; die Stichlagen 
wechseln manchmal, zum Beispiele in den Gesichtern so, daß die Nase eine 
andere Fadenrichtung zeigt als die übrigen Partien; von genauem Anpassen 
der Stiche an die Formen kann aber nicht gesprochen werden. 
Wir gehen nun zur Beschreibung der einzelnen Teile über. 
"' Von einigen kleinen grünen Seidenstoifteilen im Charakter des XIII. bis XIV. Jahrhunderts, die sich 
eingesetzt finden und vielleicht einem selbst beschädigten alten Stücke entstammen, kann hier abgesehen werden.
	        
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