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Volltext: Monatszeitschrift XII (1909 / Heft 4)

KLEINE NACHRICHTEN 50' 
ERLINER CHRONIK. Im l-lohenzollem-Kaufhaus erschien zu kurzem Gastspiel 
eine kulturell hervorragend interessante Sammlung, die Kollektion alter Ringe aus 
dem Besitz des Frankfurter Hofjuweliers Robert Koch. 
Die Naturgeschichte des Ringes kann man hier studieren von der Vorzeit an. 
Die vergrabenen Schätze altägyptischer Pyramiden, die Fingerreife der Mumien aus 
Königsgräbem - ihr Material ist Bronze, Ton, Glasfluß - erscheinen und die aus fahlem 
Gold gebogenen Fürsten- und Heldenringe, wie sie d'Annunzio in der „Cittä morte" aus 
den Atridengrütten wiederkehren läßt, schicksalhaft, bedeutungsvoll. Denn in der Ver- 
gangenheit ist der Ring nicht Schmuck an sich, sondern immer symbolisches Zeichen, 
Zeichen von Amt und Würde, oder feierliches Petschah: zur Besieglung mit dem Stadt- 
oder dem Familienwappen. Die geschnittenen Steine oder die gravierte Goldplatte trägt 
es. Und reiche Anregung läßt sich daraus schöpfen, wie Platte und Reif organisch ver- 
bunden sind. 
Diese Komposition ist meist sehr ausdrucksvoll, ganz konstruktiv. Der schmalere 
Reif verbreitert sich linienrhythmisch zum Mittelstück. Die breiteren Teile werden ihrer 
Bedeutung gemäß ornamental stärker akzentuiert. Und ein bestechendes Motiv, dessen 
übrigens die Pariser Edelschmiede sich klug annahmen, ist die Behandlung dieser den 
Stein flankierenden Breitseiten in gegitterter Durchbruchforrn. Häufig ist der fassende Reif 
auch gedoppelt oder der Grundreif gabelt sich und umklammert mit dem einen Ausläufer 
den oberen Teil des Steines, mit dem andern den unteren. Solche ästhetisch-technische 
Bildungen haben gerade für den heutigen Geschmack viel Reiz. 
Auch unter den merowingischen, fränkischen und gotischen Ringen finden sich 
solche konstruktive Lösungen, Spiralflechtwerk, wuchtige Siegelplatten, oft mit dem 
gravierten Monogramm Christi, energisch angepackt vom Rundreifen. 
In andern Bereichen überwiegt mehr kulturelles und Kuriositätsinteresse. 
Die Zeremonienringe, Petri Fischer-Ring, der Verrnählungsring des Dogen mit dem 
Meer, die jüdischen Trauringe des XVI. jahrhunderts sind ein massig-pompöses Rüst- 
zeug, sakraler Prunkzierat, der auf die Hand gar keine Rücksicht nimmt, sondern nur die 
majorem gloriam seiner heiligen Bestimmung ausdrücken will. Emblematische Kronkünste 
im kleinen sind das, pfiindige Rundreifen mit breit herausspringenden Architekturen als 
Mittelstück. 
Bei den katholischen Kultzeichen erinnert es an die Formen von Mitra und Tiara, 
bei den jüdischen bildet es in grünem Email mit Steinen die Stiftshütte nach. Symbolik 
spielt natürlich zu allen Zeiten bei den Ringen eine Rolle. Verlobungsreife mit ver- 
schlungenen Händen oder mit dem flammenden Herz als Mitte, das von zwei Händen 
links und rechts gehalten wird, kommen in verschiedenen Jahrhunderten vor. Häufig im 
bäuerlichen Schmuck und aus Silber. Dann Todesringe mit Gift in der Kapsel und dem 
Schädel als Kartusche. 
Aus den Freiheitskriegen sieht man die Tauschringe -- „Gold gab ich für Eisen". 
Und gegenüber diesen Insignien rauher Tugend - einem Ehrenschmuck für Heinrich 
Kleists herbe Hermannsschlacht-Muse - funkeln glitzernd die zierlich pointierten Ring- 
epigramme der Giardinetti. Das sind grazile Reifen, die als Schmuckstück eine Blumen- 
korbvignette einrahmen, ein Buchschmuckzierat, wie es E. R. Weiß heute gern braucht, 
aber hier aus feinem Silberdraht geflochten und mit grünen, roten, blauen Steinchen durch- 
setzt, Juwelenblumen, fleurs artilicielles. 
Der bleiche Mondton des Silbers hebt das Fuoco der Steine mehr als der gelbe Gold- 
glanz. Diese Lehre ist ja jetzt auch wieder neu geworden, nur daß man statt Silber heute 
das kostbarere Platin nimmt. 
Sehr redselig sprach sich die empfindsame Periode im Ring aus. Das Mittelstück 
ward mit Vorliebe als ein verglaster Schaukasten der schönen Gefühle verwendet. Unter
	        
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