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DER KLEINWOHNHAUSBAU EINER DEUT-
SCHEN MITTELSTADT S0- VON H. E. VON
BERLEPSCH_-_VALENDAS IN MARIA-EICH-
PLANEGG-MUNCHEN 50'
e, MMER tritt „Wohnungsnot" als Begleiterschei-
nung unbehinderter Bodenspekulation ein. Indem
letztere die Preise für Baugründe durch Mittel
und Mittelspersonen verschiedenster Art so hoch
l wie möglich emporzutreiben bestrebt ist, muß
t , ' _ jedes Flächenausmaß, das der Bebauung mit
Wohnungen zugeführt werden soll, so vorteilhaft
als immer angängig ausgenutzt werden. Je mehr
Wohnräume, desto größer die Rente, desto höher
die Beleihung. Die Überbauung des Baugrundes
in einer Schicht allein reicht nicht aus, um hinreichende Zinsenerträgnisse
der für Baugrund und Baukasten gemachten Kapitalsanlage zu sichern. Die
Wohnschichten müssen also übereinander wiederholt angeordnet, das gleiche
Bebauungsschema in vertikaler Richtung mehrmals angewendet werden.
So entsteht die schon im alten Rorn gebräuchlich gewesene Mietskaseme,
jenes Gebilde, von dem der Berliner Baurat I-Iobrecht, als er es Ende der
sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts dem Bebauungsplan der Stadt
Berlin als Novum einfügte, eine wohltätige Verschmelzung der verschiedenen
Stände, der verschiedenen Vermögensrepräsentanten erhoffte: In den unteren
Stockwerken reiche Leute, in _den oberen vorwiegend geistig tätige Elemente,
Gelehrte, Künstler, Techniker und so weiter, unter dem Dache und in den luft-
losen, dumpfen Hofwohnungen aber dieVertreter des arbeitendenVolkes. Was
sonst nicht unter einen Hut zu bringen ist, hier sollte es wenigstens die Möglich-
keit haben, unter einem Dache zu wohnen. Daraus sollten sich die schönsten
Gegenseitigkeitsverhältnisse bilden, soziale Unterschiede überbrückt werden,
hilfreich eine Hand der andern sich in Betätigung idealer Nächstenliebe bieten.
Der Gedanke wäre an sich recht schön - allein es kam doch wesentlich anders.
Die Mietskaseme ist alles andere eher geworden als die Stätte der personifi-
zierten Nächstenliebe. Sie hatte diesen idealen Charakter selbst dann noch
nicht erreicht, als, beinahe dreißig Jahre später, zu einer Zeit, da die Berliner
Wohnungsmisere bereits in ein vorgerücktes Entwicklungsstadium getreten
war, eine Reihe von Berliner Blättern die Hobrechtschen Ideen und Anschau-
ungen trotz ihres vollständigen Fiaskos abermals aufwärmten, ein ebenso aller
Wahrhaftigkeit bares als lächerliches Beginnen.
Am schlechtesten kommt natürlich bei der allgemeinen Bodenbewuche-
rung jene Klasse von Städtern weg, deren Tätigkeit durch ganz bestimmt
umgrenzte Einnahmequoten bezahlt wird. Während die Terrainspekulation
ohne großen Arbeitsaufwand riesige Summen einbringt, deren Erwerb vielen-
in