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Volltext: Monatszeitschrift XIII (1910 / Heft 3)

Ihre Rechte ruht auf der Armlehne, die Linke ist an die Brust gedrückt; 
den mit der kleinen polnischen Toque bedeckten Kopf hält sie etwas nach 
links gewendet, den Blick nach oben gerichtet. Sie trägt einen schweren 
faltigen Rock, der ein Blumenmuster in, wie es scheint, Goldbrokat zeigt. 
Eine spitze Schneppentaille, mit angesetzter, breiter Falbe und kurze offene 
Ärmel hüllen den Oberkörper ein. Über die Brust ist ein auf der rechten 
Schulter befestigtes Tuch geschwungen, ein sich mit dem Kleide als Schleppe 
vereinigendes Gewandstück, vielleicht die sogenannte polnische Kontusch. 
Zur Seite ihres Thrones befinden sich zwei Jünglinge, und zwar links ein 
die Schleppe haltender Mohr. Er trägt einen mit Federn verzierten Turban und 
einen am oberen Vorderteil mit Goldtressen bestickten, langen Faltenrock. 
Rechts steht im Rock mit breiten Ärmelaufschlägen ein mit Zopf versehener 
Page, der seinen Dreispitz mit der Linken unter dem Arme hält und die 
Rechte in den Ausschnitt seiner langen, nur mit zwei Knöpfen geschlossenen 
Weste gesteckt hat. 
Die Hauptfigur dieser Gruppe war bereits bekannt, und zwar in einem 
Stücke, das sich im Besitze Seiner Exzellenz des Herrn Oberstmarschalls 
Grafen Vitzthum von Eckstädt auf Lichtenwalde befindet. In meinem Werke 
über „Das Meißner Porzellan" habe ich sie Seite 85 unter Figur 198 abgebildet. 
Ich hielt sie allerdings damals irrtümlich für die Kaiserin Anna Iwanowna, 
die von 1730 bis {740 über Rußland regierte. Der Erwerb der Figur in 
Petersburg und die Tradition, nach der sie als russische Kaiserin bezeichnet 
wurde, in Verbindung mit einer gewissen Ähnlichkeit mit einem in Meißen 
gefertigten, im Besitze des Dresdner Kunstgewerbemuseums befindlichen 
Reliefbildnis von ihr hatte mich zu dieser Namensnennung bestimmt. 
Wenn nun auch die Auffindung der alten Form mit ihrer Bezeichnung" 
keinen Zweifel darüber läßt, daß ich mich in bezug auf die Namengebung 
geirrt habe, so bestätigt sie mir doch andrerseits mit völliger Sicherheit 
meine in letzter Zeit vereinzelt angegriffene Meinung, daß es sich hier um 
Meißner und nicht um Berliner Porzellan handelt. Ich glaube aber weiter 
' Nach Angabe von Professor Hösel findet sich in dem ältesten noch vorhandenen Modellierbuche 
(Abschrift von 1797) folgende Eintragung vor: „Augustus III. in Pohlnischem Habit stehend, x61]? Zoll, Anzahl 
der Formen xo Stk., N. 125i. - Augusti Gemahlin auf dem Trohne in der Krone, sitzend, eine Gruppe von 
3 Stk. Anzahl der Formen xg, N. 115i". i Die hier bezeichnete Figur des Königs dürfte der in altem Meißner 
Porzellan bekannten, nach einem Gemälde Silvestres (Königliches Schloß Dresden, französische Galerie) aus- 
geführten ähnlich gestaltet, nur bedeutend kleiner gewesen sein. August III. steht hier in etwa Dreiviertel- 
Lehensgröße ruhig da. im langen polnischen, mit dem Orden des Goldenen Vlieses und dem des Weißen Adlers 
geschmückten Rock. Die Rechte ist in die Hüfte gestemmt, die Linke trägt die Pelzmütze. Diese Figur ist ebenfalls 
im Forrnenhuch verzeichnet, und zwar unmittelbar vor der erwähnten Eintragung mit dem Beisatze „der größte". 
Meißen hat sie vor kurzem neu aus alter Form wieder erstehen lassen. 
Der zweite Teil der Eintragung dürfte sich auf unsere Gruppe beziehen. Allerdings stimmt hier nicht 
alles, worüber man sich bei der Flüchtigkeit, die hier manchmal anzutreffen ist, nicht zu sehr wundern kann. Die 
Königin ist nicht mit einer Krone geziert, wie man dem Wortlaut nach annehmen möchte, und die Gruppe 
besteht nicht aus 19. sondern aus 4a Formen. Was das erstere anbelangt, so gibt es dafür zwei Lösungen. Ent- 
weder hat sich der Abschreiber des Formenbuches ungenau ausgedrückt und gemeint: auf dem mit Krone 
geschmückten Throne; oder die Krone auf dem Kopfe der Königin gehörte zu den für sich anzusetzenden Ver- 
zierungen, die gelegentlich einmal weggelassen werden konnten. Die Verschiedenheit in der Anzahl der Form- 
stücke dürfte sich vielleicht so erklären, daß das Formenbuch nicht die Zahl der für die Gruppe, sondern nur für 
die Königsiigut allein nötigen Formen angibt. Und diese beträgt in der Tat neunzehn.
	        
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