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Volltext: Monatszeitschrift XIII (1910 / Heft 3)

dabei ornamental. Im Rahmen eines zärtlichen Ovals wird die gestickte Landschaftslyrik 
geschrieben. Od er der Vordergrund zeigt ein von kurvig schwingenden Hügellinien gebildetes 
herzförmiges Decollete und hinter diesem Rande wächst aufwärts eine Gitterreihe schlanker 
Stämme. Solche Motive lassen an die Symbola biedermeierlicher Stammbücher denken und 
sinngemäß sind sie in schmale, schwarzgelbe Birkenrahmen gefaßt. 
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Das Berliner Kunstgewerbemuseum bietet jetzt eine fesselnde Ausstellung altorien- 
talischer Buchkunst, Handschriften und Miniaturen aus den Ländern des Islams und aus 
Ost-Turkestan. 
Die Ergebnisse der Expeditionen nach der Oase von Turfan sind hier verwertet und 
viele seltene Schätze aus Museums- und Privatbesitz. Ein sehr instruktiver Katalog, in dem 
die Sammler als Conferenciers ihres Besitzes auftreten, führt erläutemd in dies Stoffgebiet 
ein. Das Wesen dieser orientalischen Buchkunst ist die aufs höchste verfeinerte Kalligraphie, 
die Handschrift, die zum Ornament geworden. 
Die Buchseiten, in den Raum mit sicherem Takt eingestellt, haben goldene und 
farbige Bordüren, und solche Flächen in ihrer rhythmisierten Musterung erinnern oft an 
Teppichgewebe. Die Schrift liegt manchesmal in Goldgrund und schwimmt auf Wolken- 
bändern. Die Titelseiten sind bisweilen in geometrischen Mustern grün, gelb, rot aus- 
geziert. Dazu kommen dann lllumierungen und die Schmuckbegleitung durch Miniaturen. 
Die Sammlung Sarre weist hierfür kostbare Beispiele auf. 
Eine Handschrift, die eine Kosmographie enthält, hat in den figürlichen Darstellungen 
der Erzengel und der vier Himmelsträger Anklang an byzantinische Vorbilder. Von raffi- 
nierter Delikatesse sind die farblosen Pinselzeichnungen. Die eine, die Himmelfahrt eines 
Heiligen, ist, wie Sarre fein bemerkt, im Rhythmus der schwebenden und den Thron um- 
kreisenden Figuren, italienischer Frührenaissance und Botticelli verwandt. 
Künstlerisch besonders reich ist die indische Miniaturmalerei. Sie ist in der Menschen- 
darstellung, im'Detail von Kleidung, Waffen und Schmuck äußerst sinnfällig. Wirkliche 
Lebensausschnitte werden hier nuanciert auf einer Miniaturbühne vorgeführt: festliche 
Aufzüge, Empfange, Elefantenkämpfe, Palasthöfe, Gartenterrassen im Abendschein, auch 
lnterieure der Harem-Pavillons mit Frauenleben, ein Mahl im Gartenzelt, die Toilette einer 
Indierin. Auch Fabelhumore kommen vor, so auf dem zierlichen Blatt des gefangenen 
Katers vor dem Mäusegericht. 
Sehr interessant ist die Entdeckung Sarres, daß Rembrandt ein Album mit indischen 
Miniaturen besessen hat. In seinem Inventarverzeichnis vom Jahre 1656 wird es als „ein 
Buch voll merkwürdiger Miniaturzeichnungen, außer verschiedenen Holzschnitten und 
Kupferstichen von allerhand Trachten" erwähnt. 
Der Meister studierte hierin die ihn so sehr fesselnden Motive orientalischen Lebens 
und, bevor er durch die Versteigerung seine Habe verlor, kopierte er diese Blätter. Es 
"sind in Sepia getönte und lavierte Federzeichnungen auf gelblichem Papier. Sie nehmen 
als Erinnerungsnotiz nur das Charakteristische aus den Originalen. Fünfundzwanzig 
Nummern waren es, davon kennt man heute vierzehn. Fürsten auf dem Thron, Timur und 
der Mogulkaiser Dschehangir sind Beispiele. Und die Kopie von vier mohammedanischen 
Schechs ward später für die Komposition der Radierung „Abraham, Gott-Vater und die 
Engel bewirtend" benutzt. In der Sammlung Walter Schulz finden sich schöne persische 
Miniaturen. 
Wie es in Ostasien beliebt ist, werden den Bildern Verse eingeschrieben, so der 
Darstellung zweier ]ünglinge am Bach die Zeile: „Eine Flasche Wein und das Brot ist das 
Lied" und auf einem ähnlichen Blatt eine andere: „In dieser Zeit ein Freund, der ohne 
Fehl ist". Dekorative Tiermotive sind häufig: ein Falkonier mit Falken und erlegter Ente, 
im Hintergrund Steinböcke; Schakale; Kampf zwischen Löwen und Drachen und zwischen
	        
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