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Volltext: Monatszeitschrift XIII (1910 / Heft 4)

ERLINER CHRONIK. In der Akademie ist als Nachfolgerin der französischen 
Rokokoschau eine Ausstellung amerikanischer Kunst veranstaltet worden. Ein Höf- 
lichkeitsakt kultureller Austauschbeziehungen scheint das in erster Linie, das künstlerische 
Interesse dabei darf nicht zu hoch angeschlagen werden. Das Persönlichkeitsniveau dieser 
amerikanischen Kunst hält sich in mittlerer Lage, viel Abhängigkeit von Monet und Ver- 
wandten bleibt zu konstatieren; starkwurzelnde Bodenständigkeit und rassenhafte Eigen- 
türnlichkeit wird vermißt, und die führenden Meister und Geister dieses Lagers, wie Sargent 
"und Whistler, sind nicht mit ihrem Besten vertreten. Man kann sich kurz fassen, die Gleich- 
gültigkeiten und Theatralia ignorieren und das in dieser Umgebung etwas Auffallendere 
herausheben. 
Ganz fein, wenn auch etwas dünn, ist die farbige Lyrik von John Henry Twacht- 
mann. Er malt faserige Sträuche im grau Himmernden Schneenebel; Oktoberstimmungen 
gelbgrüner Landschaftsteppiche in luftigen Flören, den Wasserfall im Yellowstone Park in 
einer Wasserkoloristik, die zu zischen scheint. Leon Dabo, ihm verwandt, liebt die weichen 
Flußliächen am Abend, wenn die jenseitigen Ufer mit weichen, verschwommenen Lichtern 
bekränzt sind. Nicht gerade originelle und vielleicht auch billige Motive, aber geschmack- 
voll, mit einem gewissen japanischen Sinn nachgebildet. 
An den Franzosen Monticelli mit seinen dumpfglühenden Emailtönen erinnert 
Ralph Blakelock. Auch im schmalen, langgestreckten Format liegt die Ähnlichkeit. Man 
sieht hier Indianer in einer farbenüppigen herbstlichen Waldszenerie. Rein auf Harmonien, 
ganz unstofllich ist das angelegt: die romantischen Gestalten der Rothäute mit dem 
Federschmuck tauchen in diesen triefenden Laub- und Baumtönen, einer illuminierten 
Dämmerung, auf und unter, wie in einem flüssigen Element. 
Monethaft, doch mit Gefühl nachempfunden, sind die sprießigen, zart flimmernden 
Frühlingsbäume auf dem Bilde Henry Dearths, das wie die Oper d'Alberts Tiefland heißt. 
Naturgefiihl, dem Jäger und Maler Liljefors verwandt, mit dekorativem Sinne gemischt, 
spricht aus dem Winterbild von Winslow Homer: ein braunroter Fuchs, hetzend durch 
weißen Schnee, aus dem Besengesträuch stichelig ragt, und überschattet von den dunkeln 
Wolken der Flügel gierig flatternder Raben. 
Theatereffektvoll, bewußt ist das virtuose Stück von Cameron, die Absinthtrinker, ein 
Bild aus dem Familienleben: die Mutter, feist, aufgedunsen, in Schwarz; der Mann in Mütze, 
mit glasigen Fischaugen; die Tochter, hektisch, abgezehrt, mit dem irren Gesicht eines 
Mediums in Trance, das Ganze von einer grünlichen Atmosphäre übergossen. Schlichter 
und nüchterner gibt sich die Realistik im Bilde der Marktfrau von Hawthorne, ein ausge- 
trocknetes, armutverstocktes Gesicht, das an die gedrückten Menschlichkeiten der Berliner 
Graphikerin Käte Kollwitz denken läßt. 
In der Porträtgruppe Endet sich manches Gute. Charakteristisch ist die Kunst von 
Cecilia Beaux, weniger in dem sehr absichtlich arrangierten Bild des jungen Mädchens 
mit der Katze auf der Schulter, über die dunkle Coiffure geschmiegt, mit der Pointe der 
vier „yeux d'or", als in dem Porträt „Frau von New-England". Dieser Typus einer 
jungen puritanischen Frau in der Haube, in ihrer kühlen weißen Mull- und Leinen- 
Atmosphäre hat etwas Lebendig-Überzeugendes. Malerisch repräsentieren der Präsident 
von Gestern und Heut. Gari Melchers stellte Roosevelt im Reitdreß fest und wuchtig 
und dabei natürlich ungezwungen hin; Cameron malte Taft in gravitätischer Fülle mit 
einem jovialen, schnauzbartbuschigen Gesicht. Beides massive Typen; sie haben etwas 
Animalisches, Dröhnendes. Von Sargent sind zwei Männerbildnisse ausgestellt. Das eine, 
Mr. Robinson, gegen die Bücherwand einer Bibliothek gelehnt, dem Richard Strauß-Typ 
verwandt; das andere, Mr. Graharn Robertson, ein junger Herr, ein Giovannino, ein 
Infant in moderner Redingote, ganz lange, schlanke Linie, blaß und fein, mit schmalen, 
bleichen, adligen Händen, darin ein hoher Stock mit Knauf, in der Geste des XVIII. Jahr- 
hunderts gehalten. Diese Erscheinung erweckt den Anklang an Oskar Wildes Bildnis des 
Dorian Gray.
	        
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