Die Symmetrie stört also bei primitiven oder wieder primitiv gewordenen
Völkern den künstlerischen Eindruck nicht, auch wo sie uns unstatthaft
erschiene; sondern sie ist ihnen ein erwünschtes Mittel, ein in Zeichnung
und Farbe ausgeglichenes Werk zu schaffen. Darum tritt die Symmetrie
natürlich auch auf allen Gebieten außerhalb der Weberei auf und wir haben
nicht den geringsten Anhalt, anzunehmen, daß es in der Weberei auch nur
zuerst geschehen sei.
Abgesehen von dem künstlerischen Genusse, den die orientalische Kunst
bietet, vermag sie eben besonders dadurch unsere Teilnahme in Anspruch
zu nehmen, daß sie uns, wie jede echte Volkskunst, so überzeugend in die
tiefsten Grundlagen des Kunstschaffens einführt und uns die ursprünglichen,
aber auch immer wieder wirkenden, Ursachen und Gesetze der Kunstbetäti-
gung überhaupt klar vor Augen führt.
Wenn uns die orientalische Kunst wie Musik umrauscht, so geht dies
darauf zurück, daß sie, der Musik gleich, zumeist nur die allgemeinsten
Empfindungen und Gefühle, diese aber in stärkstem Maße, anzuregen sucht.
Es genügen dazu oft ganz einfache zeichnerische Rhythmen und Weisen,
wenn wir so sagen dürfen, und einfache, aber starke, Farbenakkorde.
Diese Grundlagen bleiben der orientalischen Kunst fast ununterbrochen
erhalten, trotzdem es natürlich falsch wäre, bei der orientalischen Weberei,
wie in den übrigen Zweigen der orientalischen Kunstbetätigung, an einen
Stillstand zu denken. Auch die orientalische Kunst wandelt sich, weil sich
eben jede Kunst wandeln muß.
Wir mußten schon wiederholt darauf hinweisen, daß ein und derselbe
Eindruck, dauernd auf uns ausgeübt, zuletzt eben keine Wirkung mehr
erzielt. Dauernd dieselben Kunstformen können nicht mehr als Phantasie-
anregung wirken, womit sie dann aber überhaupt aufhören, als Kunst-
formen empfunden zu werden. Einfachere Menschen, die auch einen
schwereren Daseinskampf führen und darum seltener zu rein geistigem
Genießen kommen, werden natürlich nicht so raschen Wechsel verlangen
wie verfeinerte und reicher empfangende Schichten und Zeiten.
jedenfalls mußte aber mit der Konsolidierung der mohammedanischen
Staatswesen und der zunehmenden Gliederung der ganzen Kultur, die sich
ja auch schon früh in religiöser und philosophischer Zersplitterung zeigt,
auch eine Bereicherung des Kunstlebens eintreten. Dazu kam noch, daß
auch in den einzelnen Gebieten das von früher her überlieferte Kunstmaterial
nicht ganz gleich war und der Untergrund nach dem Abflauen der großen
ausgleichenden islamitischen Sturzwelle wieder mehr und mehr hervortrat.
Wir sind heute allerdings noch nicht imstande, die Textilkunst der
frühen mohammedanischen Zeit klarer zu ordnen. Die wenigen erhaltenen
schriftlichen Nachrichten über die Textilkunst geben meist zu schwache
Andeutungen, als daß wir uns ein stilistisches Bild machen könnten; auch
die Miniaturen sind in dieser Beziehung weder an Zahl und Alter genügend
noch in Musterungen und Farben verläßlich genug. Und in bezug auf das