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Volltext: Monatszeitschrift XIII (1910 / Heft 8 und 9)

Die Symmetrie stört also bei primitiven oder wieder primitiv gewordenen 
Völkern den künstlerischen Eindruck nicht, auch wo sie uns unstatthaft 
erschiene; sondern sie ist ihnen ein erwünschtes Mittel, ein in Zeichnung 
und Farbe ausgeglichenes Werk zu schaffen. Darum tritt die Symmetrie 
natürlich auch auf allen Gebieten außerhalb der Weberei auf und wir haben 
nicht den geringsten Anhalt, anzunehmen, daß es in der Weberei auch nur 
zuerst geschehen sei. 
Abgesehen von dem künstlerischen Genusse, den die orientalische Kunst 
bietet, vermag sie eben besonders dadurch unsere Teilnahme in Anspruch 
zu nehmen, daß sie uns, wie jede echte Volkskunst, so überzeugend in die 
tiefsten Grundlagen des Kunstschaffens einführt und uns die ursprünglichen, 
aber auch immer wieder wirkenden, Ursachen und Gesetze der Kunstbetäti- 
gung überhaupt klar vor Augen führt. 
Wenn uns die orientalische Kunst wie Musik umrauscht, so geht dies 
darauf zurück, daß sie, der Musik gleich, zumeist nur die allgemeinsten 
Empfindungen und Gefühle, diese aber in stärkstem Maße, anzuregen sucht. 
Es genügen dazu oft ganz einfache zeichnerische Rhythmen und Weisen, 
wenn wir so sagen dürfen, und einfache, aber starke, Farbenakkorde. 
Diese Grundlagen bleiben der orientalischen Kunst fast ununterbrochen 
erhalten, trotzdem es natürlich falsch wäre, bei der orientalischen Weberei, 
wie in den übrigen Zweigen der orientalischen Kunstbetätigung, an einen 
Stillstand zu denken. Auch die orientalische Kunst wandelt sich, weil sich 
eben jede Kunst wandeln muß. 
Wir mußten schon wiederholt darauf hinweisen, daß ein und derselbe 
Eindruck, dauernd auf uns ausgeübt, zuletzt eben keine Wirkung mehr 
erzielt. Dauernd dieselben Kunstformen können nicht mehr als Phantasie- 
anregung wirken, womit sie dann aber überhaupt aufhören, als Kunst- 
formen empfunden zu werden. Einfachere Menschen, die auch einen 
schwereren Daseinskampf führen und darum seltener zu rein geistigem 
Genießen kommen, werden natürlich nicht so raschen Wechsel verlangen 
wie verfeinerte und reicher empfangende Schichten und Zeiten. 
jedenfalls mußte aber mit der Konsolidierung der mohammedanischen 
Staatswesen und der zunehmenden Gliederung der ganzen Kultur, die sich 
ja auch schon früh in religiöser und philosophischer Zersplitterung zeigt, 
auch eine Bereicherung des Kunstlebens eintreten. Dazu kam noch, daß 
auch in den einzelnen Gebieten das von früher her überlieferte Kunstmaterial 
nicht ganz gleich war und der Untergrund nach dem Abflauen der großen 
ausgleichenden islamitischen Sturzwelle wieder mehr und mehr hervortrat. 
Wir sind heute allerdings noch nicht imstande, die Textilkunst der 
frühen mohammedanischen Zeit klarer zu ordnen. Die wenigen erhaltenen 
schriftlichen Nachrichten über die Textilkunst geben meist zu schwache 
Andeutungen, als daß wir uns ein stilistisches Bild machen könnten; auch 
die Miniaturen sind in dieser Beziehung weder an Zahl und Alter genügend 
noch in Musterungen und Farben verläßlich genug. Und in bezug auf das
	        
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