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Volltext: Monatszeitschrift XIII (1910 / Heft 11)

Wasser. Durch gelbgrau faserige Binsenstriche ziehen die Haubenköpfe der Lappentaucher. 
Die niederschlagenden Wildgänse kommen mit abflatternden Flügeln und abgestreckten 
hängenden Stelzen nach unten, und am Boden fliegt ihr Schatten. 
Ornamental wirken manchmal diese Naturausschnitte, vor allem die Flächenspiele des 
Wassers mit Sprenkel- und Kringelmotiven in farbiger Absetzung. 
Auch Sjöberg malt Tiere: Eidervögel mit weißen Halskragen in grün gischtigem 
Wasser; Kormorane, auf dem Fischfang, dunkelschwebend über der Flut; aufgeplusterte 
Möwen in blauer Nacht. Und den delikaten Sinn für das Ornamentale in der Natur zeigt 
er in der Schwanenstrecke mit der heraldisch steilen Front der ausgerichteten Hälse. 
Bei Liljefors und Sjöberg denkt man an Knut Hamsuns Pan. Hier wie dort spürt 
man regsam die witternden Sinne und Instinkte des Jägers und damit in Einschwingung 
das elementarische Gefühl des Künstlers. Ein ganz anderes Temperament zeigt Nils 
Kreuger. Seine Landschaften, Heiden, Wiesen, Strandiiecke mit Schafen, Pferden und 
Kühen _ manchmal in der körnigen Tongebung Segantinis k haben etwas Beschwich- 
tigtes, Ruhevolles, etwas patriarchalisch, biblisch Idyllisches. 
Ein Typ für sich ist in diesem Kreis Gösta von Hennings. Er hat etwas Pariserisches, 
der Katalog bemerkt vorbeugend: „Hat nie die Kunstzentren des Auslandes besucht", 
trotzdem kann er Anregung Pariser Kunst durch Bilder bekommen haben. Er liebt die 
Zirkussphäre mit rot und blauen Clowns, die Varieteoptik mit lumineusen Flittern und den 
verwischten Gesichtern der Tänzerinnen, Moulinszenen, das Farbentremolo des Faschings. 
In der Bizarrerie des Ausschnitts sucht er Wirkung und im Bild der ballspielenden Clowns 
Führt er die Rahmenlinie so, daß dern einen Clown der Kopf damit abgeschnitten wird. 
Die schwedische Landschaftskunst erscheint uns persönlicher und darum wertvoller 
als diese Exzentriks. F. P. 
EUE SEZESSION. Seit dem vorigen ]ahre hat sich von der alten Sezession eine 
jüngere Reihe abgespalten. Sie fühlt sich in den Schranken der Liebermann-Gruppe 
beengt und will ihre eigenen Wege gehen. Mit einer graphischen Ausstellung in der neuen 
Galerie Macht demonstriert sie ihr Wollen und Können. Mit dem Können ist es nun nicht 
sehr stark bestellt, und auch der an das Problematische Gewöhnte mag beim ersten Ein- 
druck der grellen Farben und der wüsten Formlosigkeiten eine starke Unlust empfinden. 
Aber dies zu konstatieren oder Zensuren zu geben, ist hierbei weniger interessant als aus 
den Gebärden dieser Versuche herauszulesen, was denn nun die künstlerischen Wünsche 
dieser Jugend sind. 
Und da spricht sich freilich auch im Stammeln und Lallen deutlich ein Richtungszug 
aus. Und der ist entgegengesetzt dem Ziele der vorigen Generation. Es ist nicht mehr der 
an den Dingen haftende, sie abschreibende Verismo, nicht mehr jener Impressionismus, 
den Zola im l'CEuvre verdichtet und der die Natur einfangen will zum allertäuschendsten 
Abbild. 
Diese Neuen wollen nicht die Wirklichkeit realistisch abschreiben, im Gegenteil, sie 
trennen ganz bewußt Kunst und Natur. Sie wollen nicht die fiüssigflüchtige Erscheinung 
bannen, sondern, von ihren Zufälligkeiten befreit, soll sie nur der Rohstoß werden, der 
Anregungen für farbige und lineare Handschrift gibt. Nicht illusionistisch nachpinseln, 
sondern frei übertragen in die Sphäre der jeweiligen Technik, unter starker essentieller 
Vereinfachung und Filtrierung, das scheint das Ziel. Eine neue Form des Stilisierens 
ist das. Und zu zwingendem Eindruck brachte das Van Gogh, wenn er zum Beispiel 
das Motiv des dürren Baumes so in seine graphische Sprache transponierte, daB er ein 
hagelndes Geprassel von Bleistiftstrichen mit sprühender Lebendigkeit hinfegte. Der 
Coin de la nature war dabei nur Vorwand, nur Mittel; Zweck und I-Iauptstoß" war das durch 
die Erscheinung, durch die Dinge in Schwingung gebrachte Temperament. 
Unsere Neu-Sezessionisten sind trotz ihres geräuschvollen Auftretens gläubige Ver- 
ehrer und Jünger. Und gerade von Van Gogh, von Munch, der die Alltäglichkeit als Vision
	        
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