AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN Sie VON
KARL M. KUZMANY-WIEN 5b
AGENBÜND. Mit einem Worte möchte man die Herbstausstellung dahin kenn-
zeichnen, daß sie lebendig ist; auch in den Werken schon wohl erprobter Künstler,
die sich einen eigenen Stil gebildet haben, ist kaum ein toter Punkt. Doch Kern und Stern
des Ganzen bildet die Kollektion Otto Hettners, eines in Florenz ansässigen Dresdener
Malers, der hierzulande noch unbekannt war. Man wird ihn nicht leicht vergessen, denn er
leuchtet mit der Glut seiner Farben aufrührerisch und zugleich hoßnungsselig voran in die
Zukunft. Es ist unvermeidlich, die Namen der französischen Impressionisten, zu denen er
sich bekennt, heraufzubeschwören, von Monet und Pissaro bis zu Gauguin und Cezanne,
die schon so manchem gefährlich geworden sind, der ihren letzten Folgerungen sklavisch
gehorcht hat, ohne der Voraussetzungen sicher zu sein. Bei Hettner sieht man voll Ver-
trauen über das Entlehnte hinweg, da man immer die besondere Persönlichkeit spürt, der es
gegeben ist, aus einem zeichnerisch wohl begründeten Können und aus starker Empfindung
heraus zu schaffen; so selbstverständlich das sein sollte, muß es doch betont werden,
angesichts der vielen Sucher und Versucher, denen es daran mangelt. Hettner ist noch in
dem Stadium des Werdens, er verhehlt nicht seine pointillistischen Arbeiten, die ihm zur
Orientierung dienen, und Aktgruppen wie die „Bogenschützen" und den „Aufbruch", an
denen noch das starr Gewollte kompositioneller Feststellungen haftet. Aber die schöne
Wahrheit des Freilichts offenbart schon Hettners „junger Mann in Abendsonne" (1901),
an dem man die vielfältige Entwicklung des jetzt fünfunddreißigjährigen Künstlers ermessen
kann, die ihn bis zu dem aus der letzten Zeit stammenden Entwurf einer „Kreuzaufrichtung"
geführt hat. Was sind doch, rein koloristisch genommen, die „neapolitanische Phantasie"
und das „Picknick" für ein Schmaus reiner und keck aneinander gesetzter Farben und wie
geht einem doch die adelige Empfindung der italienischen „Berglandschaf " nach, in klarer
Sehnsucht. Alle die verschiedensten Tendenzen und Stilrichtungen unserer Zeit finden
sich neben der monumentalen Hettners in der Ausstellung vertreten. Von dem schillernden
Impressionismus in den landschahlichen Studien von August Roth und Ludwig Kuba führt
keine Brücke, man betrachte denn als solche die ruhige Schönheit des Tones bei dem
Meister des bewegten Wassers, dem Prager Josef Ullmann, zu den gedämpften, stillen
Farben bei Giulio Beda (München); dieser uns bisher unbekannte Landschafter gehört
offensichtlich zur Gefolgschaft Karl Haiders, ohne ihm pedantisch zu gehorchen, wie es
besonders die glücklich zum Bilde abgegrenzte „l-Ierbstsonne in der Amperebene" dartut.
An Innerlichkeit der Wirkung steht Beda der Mährer Hugo Baar zur Seite, doch mit
wesentlich moderneren Mitteln erreicht er in seiner Schilderung der verschneiten Beskiden
Stimmung und Naturwahrheit zugleich. Die so idyllisch beruhigten Münchener Sieck und
Bauriedl, der alpine Otto Barth, Henryk von Uziemblo mit seinen farbenprächtigen
Skizzen aus einem Pariser Park, Wodnansky, A. D. Goltz, von dem auch eine ergreifende
Zeichnung des toten Kainz herrührt, Adolf Groß, der mit einer Serie energisch rasch
hingesetzter Pastellstudien nach blühenden und herbstlichen Baumindividuen erfreut, der
Freimaler Huck in einem plakathaft überraschenden „Expreß", Wilhelm Legler, Josef
Beyer sind mit Auszeichnung zu nennen. Lino Vesco hat da ein in absichtlicher Schwer-
Fälligkeit bestimmt modelliertes Porträt und bildet so den Gegenpol zu Walter Harnpel,
der außer einigen Interieurs in seiner miniaturfeinen Temperatechnik nun auch ein richtiges
Miniaturporträt gemalt hat. Der Architekt Oskar Laske, der einst mit zaghaften Radierungen
sich eingeführt hatte, ist zum aquarellierenden Vedutenmaler geworden, überquellend
von Einfällen in der immer bemerkenswerten Statfage, und einen Privatspaß leistet
er sich in dem mit Humor geschauten Einzug aller Tiere in die Arche Noah; seinen
Ansichten von altertümlichen Plätzen, wobei er uns nach Deutschland und durch viele
Städte Österreichs führt, kommt die perspektivische Sicherheit des Architekten zugute, und
daß er das bunte Treiben auf dem Naschmarkt und den in seiner historisch gewordenen