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BAU- UND WOHNUNGSKUNST
HEFT 13
Kann man's ihm übelnehmen, daß es nun auf
die anderen, teuren Handwerksmeister schimpft, die
den Rachen nie vollkriegen können, die mindestens
— man sieht es doch an diesen schönen billigen
Möbeln — ein paar hundert Prozent verdienen
müssen? Also kauft es die schönen billigen Möbel
und erlebt daran viele Freude. Vergleiche dazu die
Gerichtsverhandlungen. Hier hat ein Familienvater
sich beim Ausziehen seiner Stiefel gegen den Kleider
schrank gelehnt und sitzt nun samt der Fül
lung im Schranke. Dort ist einer in der
ersten Nacht mit seinem Bett durch
gebrochen, die Hirnleisten der Seiten sitzen
noch vergnügt an den Betthäuptern. Ein
Hausvater hat billig einen schönen Tisch
gekauft. Leider mußte er damit durch
einen Platzregen gehen, und als er
zu Hause ankommt, hat er unter
einem Arm die Stollen und unter
dem andern die Schublade. Der
Tisch war nicht wasserecht.
Mit einem Worte: Der
Käufer wird bald merken,
daß er die „billigen Mö
bel“ viel zu teuer bezahlt
hat. Und wenn nun die
vielen Reparaturkosten
kommen und die „schönen“
Möbel ihr wahres Ge
sicht zeigen, dann richtet
sich sein Schimpfen an c
eine andere Adresse, dann
sieht er zu spät ein, daß
Architekt Josef Heinisch: Krematorium in Eger,
Vorderansicht.
solide Arbeit auch nur zu einem soliden Preise zu
liefern ist. Er wird hart gestraft, der arme Mann,
tagtäglich hat er den armseligen Bettel vor Augen
— und der Erzeuger desselben lacht sich ins Fäust
chen, er hat den gutenVerdienst drinnen, und kommt
es zur Klage, so ist für ihn der Beweis leicht zu
erbringen, daß für den billigen Preis keine bessere
Ware geliefert werden kann. Kommt auch einmal
eine kleine Niederlage, das ficht ihn nicht an, denn
„sein“ Geschäft blüht, die Dummen werden
nicht alle.
Ein trauriges Kapitel. Das Handwerk
ist es sich selber schuldig, daß mit aller
Macht mit diesen Auchhandwerkern aufge
räumt wird, sonst kommen wir aus den
heutigen elenden wirtschaftlichen Zu
ständen nicht heraus. Nur Qualitäts
arbeit kann uns retten, und am nö
tigsten ist diese beim Hausgerät für
den kleinen Mann. Die Zeit ist end
gültig vorbei, wo man den
^ unteren Ständen (heute
sind doch die „unteren
Stände“ der Mittelstand!)
solche schlechte, unsolide
Ware bieten konnte, dies
hieße heute ein blindes
Untergraben der Position
des ganzen Handwerks.
Die Parole muß lauten:
Weg mit dem Schund
und solide, formschöne
Möbel geschafft.
DEUTSCHE BAUKUNST UND POLITIK.
VON PROFESSOR FERDINAND FELLNER-FELDEGG.
YVTENN wir die Politik als den tätigen Gesamtaus
druck des staatlichen Lebens mit Beziehung auf
die Außen- und Innenwelt eines Volkes (oder einer
Völkergemeinschaft) betrachten dürfen, dann bedarf
es erst keines besonderen Beweises dafür, daß die
Politik auch alle Kulturzweige eines Volkes oder
Staates mit ihren seelischen Kräften durchdringt
und beeinflußt. Somit kann auch die Baukunst, ob
nun ihre Ausübung von Staats wegen oder nur aus
privaten Mitteln erfolgt, unmöglich unbeeinflußt sein
von der Politik. Ja die Baukunst als eine der öffent
lichsten Künste (nur das Theater kann ihr in dieser
Hinsicht an die Seite gestellt werden) wird sogar
ganz besonders unter dem Einflüsse der Politik
stehen. Was vor aller Welt erscheint, was alle
Welt zum Urteilen herausfordert, das muß auch
vor aller Welt bestehen können. Und diese Welt
ist zugleich dieselbe, von der letzten Endes auch
die Politik gemacht wird — gut oder schlecht,
gleichviel, aber sicherlich auf Grund derselben
Stimmung der Volkspsyche, die wohl auch das
Forum bildet, vor dem die Baukunst sich zu ver
antworten haben wird.
Ein tiefgreifender Wandel in der Politik eines
Staates wird denn auch aus diesem Grunde häufig
einen Wandel in der Baukunst nach sich ziehen.
Denken wir nur — um ein nicht allzufern liegendes
Beispiel aus der Geschichte heranzuziehen — des
Wandels, den die Baukunst Frankreichs nach der
großen Revolution durchgemacht hat. Welcher ge
waltige Gegensatz zwischen den Stilen der französi
schen Ludwige und der Zeit Napoleons! Freilich
wohl, der keusche „Opferstil“ des sechzehnten Lud
wigs präludierte schon in manchen Anklängen dem
späteren Empirestil; aber in ihm sprach sich eben
auch schon eine leise Ahnung der folgenden großen
Umwälzung aus, in ihm lag schon das Ferment der
Auflehnung wider die älteren üppigen Königstile,
ein (freilich halb unbewußter) Gegensatz, der nur
noch ein wenig gebändigt war durch die auch in
der Politik noch wirksame Bändigung der eben erst
erwachenden revolutionären Volkspsyche.
An der Hand dieses und ähnlicher geschichtlicher
Beispiele wird es uns nicht unmöglich sein, auch
die gewaltigen politischen Umwälzungen unserer
Tage als sichere Vorboten für Umwälzungen auf
dem Gebiete der Baukunst anzusprechen, oder, ge
nauer ausgedrückt, den Schluß zu ziehen, daß jene
Umwälzungen voraussichtlich auch unser baukünst
lerisches Treiben unmittelbar und nachhaltig beein
flussen, ihm eine neue Version werden aufnötigen
müssen. Ich denke hiebei an Österreich. Nicht allein
deshalb, weil es als unser altes Vaterland denn doch
und trotz allem unserem Herzen am nächsten liegt,
sondern auch — wer wollte es leugnen — weil es
von allen Kulturstaaten, die der Weltkrieg in Mit
leidenschaft gezogen hat, wohl die allertiefgreifendste
Umgestaltung durch ihn erlitten hat.