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Volltext: Monatszeitschrift XIV (1911 / Heft 8 und 9)

historisch wie künstlerisch gleich 
hochstehende bezeichnet werden. 
Die Entstehung und Ausbildung 
eines solchen Stadtbildes hängt 
aufs engste zusammen mit dem 
Niveau der Bevölkerung im all- 
gemeinen. Palazzi der Aristokratie 
beherrschen ein Stadtbild allen- 
falls an einzelnen Stellen. Nur in 
den seltensten Fällen sind sie für 
das allgemeine Gepräge, im Nor- 
den wenigstens, maßgebend. In 
den Städten, die mit dem mittel- 
alterlichen deutschen Bürgertum 
entstanden, kommt der Ausdruck 
des letzteren vorzugsweise zur 
Geltung. Seine Wehrhaftigkeit, 
seine Arbeitstüchtigkeit, seine 
Unternehmungslust und der dabei 
mitsprechende materiell solide 
Untergrund sind es, die dem Gan- 
zen ein bestimmtes Gepräge ver- 
leihen. Das einfache wie das reiche 
Bürgerhaus, dasRathaus, Kirchen, 
Turm, Tor undWall wirken zusammen bei der Bewertung des künstlerischen, 
in sich geschlossenen und trotz derFormenspi-ache verschiedenerjahrhunderte 
einheitlichen Eindruckes. Das ist es auch, was dieser in ihren alten Teilen 
noch immer umfangreichen und bedeutsamen Stadt einen Reiz ganz beson- 
derer Art verleiht, trotzdem moderner Ordnungs- und Verbesserungssinn 
manches Wertvolle ohne zwingende Gründe beseitigt hat. Die vor vielen 
I-Iäusern belindlichen „Beischläge" (siehe Abb. 23) standen gerade hier keinem 
riesigen Straßenverkehr im Wege. „Utluchten", erkerar1:ige Ausbauten, gibt 
es zwar noch in reicher Zahl (siehe Abb. 18, 19, 20, 23), indes fallen sie 
mit den alten Häusern und kommen bei den Neubauten nicht wieder in An- 
wendung. Sie sind aber für das Straßenbild von ausschlaggebender Wirkung. 
Was freilich Wirkung des Straßenbildes bedeute, ist offenbar dem Zeitalter 
der zahllosen Paragraphen und behördlichen Verordnungen weit weniger 
geläufig als vergangenen Perioden mit weniger Tinten- und Papierverbrauch, 
mit weniger bureaukratischer Bevormundung, mit höherem künstlerischen 
Ausdrucksverrnögen. Dicke Bände ließen sich füllen, sollten alle die Barba- 
rismen regisiriert werden, die überall und bis in die neueste Zeit hinein durch 
solche behördliche Aufräumarbeiten vor sich gingen und leider auch den 
Anschein von berechtigtem Vorgehen bekommen haben. Freilich - ein gut 
Teil der Architekten selbst käme dabei am schlechtesten weg. Man denke 
 
Abb. 16. Lüneburg, Blick in eine Diele mit Treppenanlage
	        
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