historisch wie künstlerisch gleich
hochstehende bezeichnet werden.
Die Entstehung und Ausbildung
eines solchen Stadtbildes hängt
aufs engste zusammen mit dem
Niveau der Bevölkerung im all-
gemeinen. Palazzi der Aristokratie
beherrschen ein Stadtbild allen-
falls an einzelnen Stellen. Nur in
den seltensten Fällen sind sie für
das allgemeine Gepräge, im Nor-
den wenigstens, maßgebend. In
den Städten, die mit dem mittel-
alterlichen deutschen Bürgertum
entstanden, kommt der Ausdruck
des letzteren vorzugsweise zur
Geltung. Seine Wehrhaftigkeit,
seine Arbeitstüchtigkeit, seine
Unternehmungslust und der dabei
mitsprechende materiell solide
Untergrund sind es, die dem Gan-
zen ein bestimmtes Gepräge ver-
leihen. Das einfache wie das reiche
Bürgerhaus, dasRathaus, Kirchen,
Turm, Tor undWall wirken zusammen bei der Bewertung des künstlerischen,
in sich geschlossenen und trotz derFormenspi-ache verschiedenerjahrhunderte
einheitlichen Eindruckes. Das ist es auch, was dieser in ihren alten Teilen
noch immer umfangreichen und bedeutsamen Stadt einen Reiz ganz beson-
derer Art verleiht, trotzdem moderner Ordnungs- und Verbesserungssinn
manches Wertvolle ohne zwingende Gründe beseitigt hat. Die vor vielen
I-Iäusern belindlichen „Beischläge" (siehe Abb. 23) standen gerade hier keinem
riesigen Straßenverkehr im Wege. „Utluchten", erkerar1:ige Ausbauten, gibt
es zwar noch in reicher Zahl (siehe Abb. 18, 19, 20, 23), indes fallen sie
mit den alten Häusern und kommen bei den Neubauten nicht wieder in An-
wendung. Sie sind aber für das Straßenbild von ausschlaggebender Wirkung.
Was freilich Wirkung des Straßenbildes bedeute, ist offenbar dem Zeitalter
der zahllosen Paragraphen und behördlichen Verordnungen weit weniger
geläufig als vergangenen Perioden mit weniger Tinten- und Papierverbrauch,
mit weniger bureaukratischer Bevormundung, mit höherem künstlerischen
Ausdrucksverrnögen. Dicke Bände ließen sich füllen, sollten alle die Barba-
rismen regisiriert werden, die überall und bis in die neueste Zeit hinein durch
solche behördliche Aufräumarbeiten vor sich gingen und leider auch den
Anschein von berechtigtem Vorgehen bekommen haben. Freilich - ein gut
Teil der Architekten selbst käme dabei am schlechtesten weg. Man denke
Abb. 16. Lüneburg, Blick in eine Diele mit Treppenanlage