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Volltext: Monatszeitschrift XIV (1911 / Heft 8 und 9)

Sinne aufgefaßt werden: „Planmäßig" heißt für jene Zeit nicht unbedingt 
regelmäßig, in genau abgemessenen Abständen und in Parzellen von durch- 
aus gleicher Form oder gleichem Flächeninhalt. Bei aller Überlegung für 
Verkehrsnotwendigkeiten zum Beispiel verfuhr man weder bei der Bestim- 
mung von Straßenzügen noch bei der Bemessung der zu bebauenden Flur- 
einteilung in technischer Hinsicht allzu genau. Es verhielt sich damit wie mit 
dem Bauen selbst. Die Hauspläne unterlagen keiner allzu ausgeklügelten 
Bauordnung, noch waren gesetzliche Bestimmungen über Mauerstärken, 
hygienische Maßnahmen und dergleichen in präziser Weise vorhanden. 
Offenbar standen jene Zeiten nicht in gleichem Maße unter bureaukratischen 
Einflüssen. Letztere wuchsen, indem das wirklich künstlerische Moment 
ein Decrescendo erfuhr. Die Art der Bauausführung stützte sich auf eine 
allmählich sich vervollkommnende handwerkliche Tradition. Daher denn bei 
Bauten dieser Zeit der rechte Winkel bloß angestrebt wird, in Wirklichkeit 
aber im Grund- wie Aufriß selten zu finden ist. Diese Unregelmäßigkeiten 
gaben bei großen Anlagen, zum Beispiel bei Kirchen, für die Untersuchung 
späterer Zeiten oft Veranlassung zu den seltsamsten Hypothesen, während 
sie doch weiter nichts waren als die Nachwirkung einer Zeit, eines Entwick- 
lungsstadiums, wo Bauherr, Baumeister, Bauhandwerker ein und dieselbe 
Person, unterstützt von Nachbarn, war. Die „zünftige" Bauausführung reicht 
vielfach, besonders aufdemLande, 
also auch in werdenden Städten, 
nicht ins frühe Mittelalter zurück. 
Ebenso verhielt es sich mit „plan- 
mäßigen" Stadtanlagen. Der von 
820 datierende, durchaus syste- 
matisch bearbeitete Klosterplan 
von Sankt Gallen fußt auf impor- 
tierten Einflüssen, sofern er nicht 
selbst importiert ist, und hat mit 
einem römischen Castrum weit 
mehr Ähnlichkeit als mit einer 
deutschen Stadt, deren es damals 
überhaupt noch keine gab, außer 
auf den Trümmern römischer 
Unterlagen. „Planmäßig" heißt 
im vorliegenden Falle so viel wie 
„nach einem Grundgedanken in 
einer gewissen Regelmäßigkeit 
angeordnet" im Gegensatz zum 
„Gewachsenen", zur Stadtbil- 
dung, die entweder noch die Merk- 
male dörflichen Ursprungs zeigt 
Abb. 55. Lüneburg, Renajssancegiebel, Ochsenmarkl l Ode!" das PTOdI-lkt eines  

	        
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