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die Vollendung dieses Stiles im XVI. und XVII. Jahrhundert und nahm
daher auch für die ältere Zeit eine chinesische Erfindung an, während es in
Wirklichkeit, wie ich ausführlich in dem zweiten Bande meiner chinesischen
Kunstgeschichte zeige, eine ganz unchinesische, fremdländische Dekoration
war, die erst nach dem Osten eingeführt und dann in lokaler Ausarbeitung in
einer geistlosen und phantasieannen Zeit in China zur handwerksmäßigen
Vollendung gebracht wurde.
Einzelne Teppichmuster, wie Drachen, Phönix und Wolkenband, sind
wiederum echt persische Ausgestaltungen einer Chinoiserie, die unter den
Mongolen im XIII. Jahrhundert begann und Jahrhunderte von Einfluß blieb.
Chinesisch ist nur der Grundgedanke, die dekorative Ausführung ist rein
persisch und ganz unchinesisch. Dagegen scheinen chinesische Seidenstoffe
nach Europa gekommen zu sein, wenn mir auch der chinesische Ursprung
des in der Marienkirche zu Danzig aufbewahrten Restes eines Seidenstoffes
(ausgestellt in der MohammedanischenAusstellung, München 1910 - Lessing,
Gewebesammlung des gelnder Kenntnis von
Königlichen Kunstgewer- ostasiatischen Originalen
bemuseums) noch we- noch kaum begonnen.
nig bewiesen erscheint. Dreger hat den ersten er-
Wohl ist es möglich, daß folgreichen Versuch ge-
manche arabischen und 4Aho.5.ChiriesisclierGiirtelhaken macht(KunstundKu1-1St_
italienischenStoFfe chine- äizfasiflfäczzjfjfäigzigfx; handwerk, 1905, Heft I2,
sischenVorbildern nach- umgebogen m, auf der Rilck- und 1906, Heft 3). Das
geformt sind. Die Unter- s'i'gag:äf;g'li'nüzfg_,ä'izziäyß Vorkommen von chine-
suchungen sind aus man- sischen Schriftzeichen auf
Geweben erscheint mir als kein Beweis für die Kopie eines chinesischen
Stoffes. Derartige Schriftornamente sind das Produkt der damaligen Chinoi-
serie im Westen, und das Schriftzeichen kann ebensogut oder sehr viel
wahrscheinlicher Büchern oder Bildern entnommen sein. Ähnlich wie die von
Boucher gemalten Chinesen freie Phantasiegestalten nach mißverstandenen
Bildern oder Porzellandekorationen waren, kann man auch hier annehmen,
daß der europäische Weber das fremdländische Zeichen selbständig als
Ornament verarbeitete. Die Hauptsache ist bei einem Muster nicht das ein-
zelne Ornament für sich genommen, sondern die ganze Komposition, die
Einteilung, kurz alles, was den Stil im weitesten Sinne umfaßt.
Den wesentlichen Unterschied der ostasiatischen Auffassung gegenüber
der westlichen erblicke ich in dem starken Naturalismus im Verhältnis zu der
westasiatischen stilisierten Flächendekoration. Dieser Naturalismus führte in
China in der Malerei zum Impressionismus der Sung-Zeit, und ich habe kürzlich
versucht (Orientalisches Archiv, Heft z) nachzuweisen, daß die phantastischen
Landschaften als Hintergründe der Gioconda und der Anna Selbdritt von
Leonardo da Vinci das Bestreben darstellen, chinesische Sung-Landschaften
in die Sprache europäischer Kunst zu übertragen. Dieser Naturalismus
belebte die Flächendekoration, und wo die stilisierten Ornamente, beson-