MAK

Metadaten: Monatszeitschrift IV (1901 / Heft 12)

Sehr bemerkenswert sind seine Bleistift- und Kohlezeichnungen aus Italien. Auch unter 
den Einzelnen der Ausstellung ist manches sehr Bemerkenswerte. Die Porträts 
von Temple, namentlich die mehr studienartig behandelten, das elegante Reiterporträt des 
Kaisers von Th. Ajdukiewicz, David Kohns lebensvolle Röthelbildnisse des Unterrichts- 
ministers und des Grafen Wilczek, ein I-Ierrenbildnis von joannowits. Dann im Genre 
gute Bilder von jungwirth (vom Ministerium erworben), Schram, Hedwig von Friedländer, 
I-Iomolac, Egger-Lienz (Nonne im Laubengang, unter Sonnenreflexen), I-Iessl. In der Land- 
schaft treffliche Stimmungsbilder von Schäffer, Zoff, Ribarz, Tomec, Fechter, Hudecek und 
anderen. Zwei Gäste aus Brüssel schliessen sich an: Lucien Frank mit seinen phantastisch 
gesehenen Ansichten aus Flandern und jules Potvin mit saftigen, aus tiefem Dunkel 
herausgearbeiteten Innenscenen; beide Künstler hier schon bekannt. Plastik ist nicht viel 
vorhanden. Hervorragend die Marmorbüste des Generals Prinzen Windischgraetz; wirksam 
die polychromirteWachsmassengruppe „Tobias" von Anselm Zinsler; originell die plastische 
Idee Elsa von Kalmars, die langen, mannigfach modulirten Linien der istrianischen Land- 
schaft als zwei ganz flach und linear behandelte männliche Acte, die schlafend hingestreckt 
liegen, zu symbolisiren. 
ECESSIQN. Die XII. Ausstellung der Secession ist in der Hauptsache eine „nordi- 
sche". Nachdem die Vereinigung ihrem Publicum die bahnbrechenden Künstler des 
Westens vorgeführt, hat sie jetzt den skandinavischen, Finnischen, russischen Norden 
herangezogen und eine ganze Reihe bedeutender Künstler hier zum erstenmale ausgestellt. 
Nach Russland und Finnland hatte sie sogar eigens zwei Mitglieder entsandt, nähere 
Umschau zu halten. Die malerische Note, die damit angeschlagen wird, ist frisch und 
eigenthümlich, da der Norden nachgerade der Pariser Schule entwächst und eigene Farbe 
mit eigener I-Iand zu geben trachtet. Zu diesen Nordländern sind noch eine schweizerische 
und eine niederländische Gruppe gesellt; die Plastik ist international. Gleich beim Eintritte 
fallt der Blick auf die Wand der Schweizer. Ihr Mittelstück ist das grosse Bild: „Der Aus- 
erwählte" von Ferdinand I-Iodler (Genf), das viel Rumor erregte, doch bald in Privatbesitz 
überging. Es ist ein Andachtsbild ganz modernen Wesens, modern auch in der Art, wie es 
in einer frühchristlichen Längstvergangenheit schöpft. Man muss an byzantinische Mosaiken 
und an die Wandmalereien der Katakomben denken, deren feierlich-intimer Stilgehalt hier 
mit den Mitteln von heute erstrebt wird. Wenn man von Neuromantisch und Neurenaissance 
reden kann, ist auch neuarchaisch zulässig, wenn nur der Künstler die Stimmung wieder 
zu befehligen weiss. Dazu gehört eine aufregende, beunruhigende und doch gewinnende 
Persönlichkeit, wie Hodler. Seine sechs lichten Engel, die sich zu dem nackten Knäblein 
herablassen, das vor einem kürzlich gepflanzten Bäumchen kniet, diese in senkrechtem 
Niederschweben plötzlich stille haltenden Gestalten haben einen durchaus transcenden- 
talen Habitus und sind dennoch Kinder einer realistisch genährten Zeit. Ihre Typen sind 
von heute, ihr Lineament, die Anordnung des sechsmal wechselnden Faltenwurfes dieser 
sechs weissen Mäntel, die bis auf den Boden niederreichen, sind Variationen im Sinne 
eines kunstgeschichtlich vielerfahrenen Feinschmeckers. Aber eines naiven zugleich, wie 
denn die Moderne wundersam genug bewiesen hat, dass es Culturepochen gibt, in denen 
hohe Bildung und Einfalt zwei Seiten des nämlichen Wesens sind. Auch bei Gustave 
Moreau und Burne-jones kann man diese Art von Schwebezustand beobachten, diese 
Gewichtsgleichheit von Gestalt und Luft, die den reinen Willen als ausreichende Kraft- 
maschine voraussetzen lässt. Der Stil des Bildes ist übrigens ganz freskenhaft, so wie der 
des zweiten I-Iodlefschen Bildes („Frühling") ganz glasfenstermässig. Es fehlt augen- 
scheinlich an Aufträgen für die Techniken, die dem Künstler im Blute liegen, und in diesen 
Bildern träumt er davon. Es ist interessant, auch sein Porträt kennen zu lernen, von Cuno 
Amiet, der übrigens noch zwei treffliche Bilder hier hat. „Der Kranke" ist eine tiefe 
schwermüthige Harmonie von Baumlandschaft und gemusterten KleiderstoEen und mitten 
drin als hellster (i) Fleck das bleiche Gesicht des Leidenden. Das alles ist mit einem
	        
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