Die mannigfaltigen Studien zu einem großen Bilde, das eine Prozession am Aller-
seelentage darstellt, sind ebenso für seine Behandlung der graugrünen, nassen Stimmung
charakteristisch wie Fir den Eifer, mit dem er ihre Beherrschung sucht.
Anschließend daran sind in einem kleinen Raume verschiedenwertige Blätter von
Aubrey Beardsley zusammengestellt, die trotz ihres Einschlages von perverser Sinnlichkeit,
trotz zahlreicher Nachahmungen ihrer Rafl-inements durch andere, spätere, doch immer
noch ihre aufreizende, fesselnde Wirkung auszuüben vermögen. Man steht ihrer aparten
Eigenart der Linienführung heute kühler gegenüber als einst, muB ihren Persönlichkeits-
reiz aber doch stets von neuem empfinden.
NEÜERVVERBÜNGEN DER K. K. STAATSGALERIE. Die Anfänge der
Wiener Modernen Galerie, welche so vielverheißend und weitblickend begonnen
war, sind nun endlich nach langer Unterbrechung durch wichtige Neuerwerbungen ver-
mehrt worden. Es ist wieder jemand am Werke, der an die Zukunft dieser so wichtigen
Sammlung glaubt, für sie tatkräftig wirkt und eintritt.
Man muß sich auch über den Geist freuen, in dem dies geschah. Direktor Dörnhöffer
hat wichtige Gruppen österreichischer Künstler glücklich zu repräsentieren verstanden f
er hat aber auch bedeutende Ausländer eingeführt, deren Werke heute so schwer mit
bescheidenen Mitteln festzuhalten sind.
Die kleine Gruppe moderner Franzosen enthält wohl nicht Hauptwerke, aber doch
so tüchtige Arbeiten von Daumier, Renoir, Monet, Pissaro, Gonzalez, daß man sehr gut
von einer charakteristischen Repräsentation moderner französischer Kunst sprechen kann.
Die vornehme Qualität dieser Arbeiten gibt eine Vorstellung von dem hohen Niveau dieser
Künstler, das man gelegentlich bei uns noch immer zu leugnen versucht.
Die hervorragendste Erwerbung ist aber die Kollektion Karl Schuch, des gebürtigen
Wieners, der in seiner Vaterstadt bis zu seiner Auferstehung in der Galerie Miethke,
ein Unbekannter und Fremder blieb. Seine hervorragenden malerischen Qualitäten führen
ihn an eine erste Stelle, nahe an Leibl, seinen Freund.
Daß man immer noch galeriefähige Werke von Waldmüller aufi-indet, ist Direktor
Dörnhölfer zugute gekommen. Er vermochte so einer Sammlung Alt-Wiener Meister die
Basis zu geben; Pettenkofen reiht sich dem Altmeister würdig an; Amerling, Reiter,
Schrnitson und andere sind vorläufig noch mit vereinzelten Werken vertreten. Rumpler
führt uns zur Makart-Zeit über, die auch aus Canon und Romako spricht. Der Feuergeist
dieser Farbenwelt ist nun außer rnit seinen fünf Sinnen durch das prächtige Porträt der
Frau Plach repräsentiert, so daß Makarts Bild aus einer ganzen Reihe sehr edler Arbeiten
abgerundet hervor-tritt. Es scheint die wohlbegründete Absicht des Galeriedirektors zu sein,
möglichst viele Kollektionen bedeutender Künstler vorzuführen, nicht aber um jeden Preis
Namen zu bringen. Wenn ihm dies gelingen würde, so könnte wohl ein besonders wert-
volles Resultat gezeitigt werden. Die stärksten Eindrücke gehen doch immer von solchen
kleinen Kollektionen aus, die eines Künstlers Lebenswerk vereinen, wie man in einem
Brennspiegel die Sonnenstrahlen sammelte.
Manchmal gelingt es auch, nationale Eigenart so zu betonen, indem man Verwandtes
verbindet. Eine Reihe von Polen, die in ihren Einzelleistungen vielleicht nicht so bedeutend
wirken wie in der Gesamtheit ihres nationalen Strebens, schließt sich zu einer respektabeln
Gruppe ganz moderner Künstler zusammen.
Man würde wünschen, daß auch die für das Aufleben der Kunst in Wien so wichtigen
führenden Persönlichkeiten allmählich in stärkerer Zahl auftreten würden. Ein feiner Klimt
erweckt den Wunsch nach mehreren.
Direktor Dörnhöffer hat bisher schon eine so glückliche Hand gezeigt und die Wege
zu so verborgenen Schätzen zu finden gewußt, daß von seiner Wirksamkeit noch vieles zu
erhoiTen ist.