Man entdeckt aber auch Proben neuer Ausdruckssprache, die sich dabei beschränkend
nur an die Überlieferungsmittel hält, an die Schere, das schwarze Papier, den weißen
Grund. In diesem Schwarzweißbereich begegnet gleichfalls die Exzentriknote. Magdalene
Koll läßt Clowns, Fackel- und Schwerttänzerinnen, Schlangenbändigerinnen sich produ-
zieren, niggerhaft, an die ethnographischen Tendenzen der neuen Sezession erinnernd.
An ihrem Scherenstil ist auffallend das große plakatartige Format und, im Gegensatz zu
dem gewohnten zierlichen Filigranwerk des Durchbruchs, die weißen Maschen. Während
man sonst an Spitzengespinst denkt, wirken diese in das Schwarz hineingeschnitterien
Ornamente, der Banddurchzug beim Tänzerinkleid, die mächtigen Zeichnungen auf dem
Schlangenleib wie Muster aus Schmiedeeisen und die massigen Ringe der Schlange
gleichen Pneumatiks.
Rafl-lnement mit den einfachsten Mitteln zeigt Carlos Tips. In seiner Barszene
bildet er eine Spanierin lediglich aus dem weißen Papiergrund, indem er mit schwarzem
Papier nur den Hut, ein paar Taillenkonturen, den Volant und die Schuhe setzt. Ein
suggestiver artistischer Witz. Sehr eigene Motive wählt er. In „Golgatha" wecken zer-
rissene Wolkenfetzen unheimliche Stimmung; groß in schwarzen Massen aufgemauert ist
das Gebirge und weit und licht mit Unendlichkeitshorizont dehnt sich die Wüste vor
einem Hügel.
Zur größten Bewunderung zwingt schließlich die Landschaftskunst von Maria Lahrs
und Heinrich Wolff. Von ihr der Mann mit Kuh, großflächig aufgebaut an einem abend-
lichen Wasserfiecken.
Von Wolff Stimmungen der Wolken, Baumzweige über einem See. Originell ist hier,
daß nicht der schwarze Schattenriß aufs Papier geheftet wird, sondern daD aus der den
weißen Grund ganz bedeckenden schwarzen Fläche durch streitige Einschnitte die
Wirkungen des weißen Grundes herausgeholt werden. Also ein Zeichnen nicht schwarz
auf weiß, sondern weil] in schwarz. Vor allem für Wassermotive ergeben sich hier Effekte
von holzschnittstarker Kraft. Felix Poppenberg
BRÜNN. AUSSTELLUNG VON MODERNEN ZEICHNUNGEN. Das
Erzherzog Rainer-Museum eröffnete eine ungemein reich beschickte „Ausstellung
von Zeichnungen moderner Künstler", die eine Art Ergänzung zu der 1910 vom Museum
veranstalteten Ausstellung alter I-landzeichnungen aus mährischem Privatbesitz bildet.
An der diesjährigen Ausstellung beteiligen sich die Wiener und Berliner Sezession
(darunter Max Liebermann, Lovis Corinth, Max Slevogt), der Karlsruher Künstlerbund
und der Bund zeichnender Künstler in München. Hervorragend vertreten sind die Wiener
Alois l-länisch, Lenz, Liebenwein, Anton Nowak, Grom-Rothmayer, Karl Müller, der in
Salzburg lebende C. A. Reichel, der durch seine Farbenholzschnitte bekannt gewordene
Walter Klemm, die in München lebenden Österreicher Max Mayrshofer und Ferdinand
Staeger. Durch Paul Cassirer kamen außer den schon genannten Mitgliedern der Berliner
Sezession noch Käthe Kollwitz, Ulrich Hühner, Theo von Brockhusen und Ernst Barlach.
Von den Karlsruher Künstlern sind namentlich die Professoren Albert Haueisen, Gustav
Katnpmann und Hans von Volkmann gut vertreten, von den Dresdnern Robert Sterl und
Otto Fischer und der an der Dresdner Akademie wirkende Österreicher Professor Hegen-
barth. Von den Münchnern sieht man Walter Püttners ausgezeichnete Aktstudien, dann
Arbeiten von Gustav Bechler, Paul Bürck, Hans Hammer, Ludwig von Hofmann, Ernst
Liebermann und viele andere. Unter den Künstlerinnen ragt die als treflliche Zeichnerin
bekannte Wienerin Gabriele Murad-Michalkowsky hervor. Die Ausstellung gibt einen sehr
guten Überblick über die moderne Kunst und ihre Ziele.
ARISER AUSSTELLUNGEN. Die Ausstellung der „Societe des Artistes Inde-
pendants" findet in den eigens hierfür erbauten Zelten am Quai d'Orsay statt. Beinahe
4.000 Nummern in 44 Sälen liefern hier wieder einmal den Beweis dafür, wie schrecklich