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die beiderseits heruntergeführten Clavi, die Zierborten, vielfarbig, wie es
auch bei den Gewändern der Großen damals die Mode verlangte. Das jüngste
von uns abgebildete Stück aus Achmim, eine früharabische Puppe (Abb. x 5),
beweist, mit welcher Phantasie das Kindergemüt sich aus einem anorga-
nischen Omament ein Liebe emplindendes Wesen stets zu schaffen verstand,
zeigt aber auch, wie die Kunst des Islams von allem Lebensvollen zugunsten
der höchstens noch symbolischen Linie abstrahierte: die Augen werden zu
Spiralen, die Nase zu einigen spitz zusammenlaufenden Linien, das Gesicht
wird von vielen konzentrischen Parallelen eingeschlossen. --
Das Mittelalter war absolut nicht die triste Zeit der Askese und Welt-
entfremdung, die die populäre Aufklärung mit seiner Vorstellung zu verbin-
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Abb. xG. Puppenhandwerker aus der Mine des XV. jahrhunderts. Holzschnitte aus dem
Honus Sanitatis
den pflegt, sondern zeigte im Gegenteil viel Lebenslust und viele Freude an
der natürlichen Schönheit und an ihrer Nachbildung in zierlichen Kunst-
werken.
Aus der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts existieren in einem
„Hortus Sanitatis" zwei Holzschnittbildchen von Handwerkern, die Puppen
anfertigen, hölzerne Gliederpuppen augenscheinlich (Abb. I6). Im allgemei-
nen wird hier unsere Vorstellung auch aus den mannigfaltigen Heiligen-
und Madonnenstatuetten in Holz, Stein oder in gebranntem Ton und aus
den wächsernen Devotionalien zu ergänzen sein.
So kennt das XIII. Jahrhundert kleine weibliche Hohliiguren aus
gebranntem Ton, in denen lose Kügelchen sich befinden, als Kinder-
klappern. Sie stellen vornehme Damen dar mit dem Kranz, dem höiischen
Schapel, auf dem offenen Haare, in langem Gewande, mit zusammengelegten
Händen, das typisch gotische Lächeln auf den Lippen „züchtiglich" vor sich
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