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Volltext: Monatszeitschrift XV (1912 / Heft 8 und 9)

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bleibt streng konventionell, so daß es in keiner Weise die Aufmerksamkeit fesselt. Die 
bekannten Firmen Marescot, Lescure und Leon Sault zeigen uns die besten Resultate der 
französischen Industrie, doch sind dieselben nicht so interessant wie diejenigen Arbeiten, 
denen ein individuelles Gepräge anhaftet. 
Fast hätte ich auf Clement Mere vergessen. Seine Arbeiten in Lack sowie in bemalten 
und teilweise überstickten Seidenstoffen fallen stets durch ihre große Originalität auf, so 
auch diesmal seine Vitrine im Musee Galliera mit den merkwürdig marbrierten Stoßen, 
deren Farbenzusammenstellungen von äußerst feinem künstlerischen Geschmack Zeugnis 
geben. 
Die Pllege der Volkskunst in Form von Unterstützung und Förderung der Haus- 
industrie der Landbevölkerungen ist seit einigen Jahren zu einem modernen Thema 
geworden. Der Anlaß und das Beispiel wurde in verschiedenen Ländern Europas von den 
höchsten Persönlichkeiten gegeben. Die Gründung einer neuen Ausstellungsgalerie im 
Zentrum von Paris zum Zweck, die Volkskunst der verschiedenen Länder Europas in 
einer einzigen Schaustellung zu vereinigen, war ein äußerst glücklicher Gedanke. Seit den 
Frühjahrsmonaten ist derselbe verwirklicht, dank der energischen Initiative einer Dame 
der russischen Kolonie, Madame de Schneouhr. Unter dem Titel „Art Paysan" sind in 
der „Galerie Royale" (13 Rue Royale) die schönsten Arbeiten der Volkskunst verschiedener 
Nationen ausgestellt. Der künstlerische Erfolg dieser Veranstaltung blieb nicht aus und 
übertraf sogar die kühnsten Erwartungen, denn das immerhin etwas chauvinistische 
französische Publikum zollte vollen Beifall und die urwüchsige Originalität gewisser bäuer- 
licher Arbeiten wirkte gerade auf den Pariser Geschmack sehr anziehend. Die praktische 
und humanitäre Aufgabe dieser Ausstellung besteht darin. für die Produkte der Haus- 
industrien in Paris ein Absatzgebiet zu schaffen, und zwar durch ein direktes Herantreten 
an das Publikum. Die Ausstellung in der Rue Royale soll zu einer permanenten werden 
und hierdurch für die beteiligten Länder den Zweck einer Pariser Filiale erfüllen. 
Vorläufig sind Frankreich, Rußland, Rumänien und Ungarn vertreten. In Kürze 
werden sich auch die österreichischen Kronländer beteiligen, Schweden und Irland sind 
in Aussicht gestellt. 
Über jedes einzelne Land wäre ein Kapitel zu schreiben, ich will jedoch hier nur noch 
erwähnen, womit die einzelnen Abteilungen am meisten Erfolg erzielt haben. Frankreich 
bleibt unerreicht da, wo es sich um die feinsten Kunststickereien in Weiß handelt, und die 
Arbeiten aus den Vogesen sind das Beste, was auf diesem Gebiete geleistet wurde. 
Rußland glänzt durch die Mannigfaltigkeit seiner geschnitzten und bemalten 
Holzarbeiten. Die meisten der Spielwaren sind kleine Kunstgegenstände und übertreffen 
weit alles Ähnliche, was die moderne Industrie auf den Markt bringt. In Metallarbeiten, 
Stoffen, Spitzen und Stickereien liefert das russische Reich eine große Anzahl von Aba 
arten, in denen der Stil der nördlichen Gegenden von dem in Südrußland vollständig 
abweicht. 
Die ungarischen Arbeiten waren für das Pariser Publikum eine wirkliche Neuheit. 
Die Farbenprächtigkeit der ungarischen Stickereien, alles was einen ausgeprägten natio- 
nalen Charakter besitzt, iindet sehr viel Anklang, weil es die Vorliebe für das Ungewöhn- 
liche und Neue, nach dem man in Paris stets auf der Suche ist, befriedigt. Für gewisse 
dekorative Effekte ist die Farbenzusammenstellung der ungarischen Muster von großem 
künstlerischen Wert. Sehr fein gearbeitet sind die rumänischen Stickereien. Es sind zumeist 
äußerst mühevolle Arbeiten in geschmackvollen Farben mit Gold und Silber vermengt. Die 
verwendeten Stoffe, unvergleichlich feine Handgewebe, tragen viel zu der Schönheit der 
rumänischen Hausindustrie bei. T11, de Kulme; 
PRAG. AUSSTELLUNG DER KUNST AM HOFE RUDOLFS II. 
IM RUDOLFINUM. Die Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde in Böhmen, 
welche unter dem Protektorat des Thronfolgers steht, hat über Anregung ihres Präsidenten
	        
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