entwickelt sich erst mit der Zeit, sei diese nun einmal kürzer, einmal länger. Wir
halten es für keinen Fehler, sondern für einen Vorzug, wenn der Meister sich
auch in seinen Schülern verrät; wir glauben aber auch, daß nur ein ungeschulter
Blick oder ein unfähiges Auge nicht erkennen wird, wie sich in den Arbeiten
der einzelnen Schüler hier im Stillen doch schon Eigenart kenntlich macht.
Betrachten wir selbst den gemeinsam gearbeiteten Altar, so verrät das
Mittelstück, die Szene am Kreuze von Karl Borschke, doch schon einen
etwas andern Geist und andere malerische Auffassung als die „Ver-
kündigung Mariens" von Karl May, als „Das letzte Abendmahl" von
Andreas Harsch, als „Das Pfingstfest" von Ferdinand Kitt oder „Die Krönung
Mariens" von Leopold Zlabinger.
Hervorheben möchten wir noch den „Heiligen Klemens Maria Hof-
bauer" von Karl May an der Außenseite des Altars. Der feine Diplomaten-
kopf dieses Heiligen ist hier zwar in Anlehnung an das einzig erhaltene
alte Bildnis wiedergegeben, aber doch wird niemand sagen, daß dies eine
unselbständige Arbeit sei. Mancher wird hier vielleicht die Sonderart dieses
großen Heiligen und Seelenkenners zuerst erkannt haben. Dieser Mann war
wirklich imstande, andere zu durchschauen und so den Weg in ihr Inneres
zu finden. Wie konventionell sind dagegen die üblichen Asketendarstellungen
dieses großen und heiligen Mannes!
Von Borschke ist noch ein trefflicher „Heiliger Bonaventura", von Bruno
Sykora ein „Heiliger Basilius" und von Karl May ein ausgezeichneter Karton
„Der Gang nach Emaus" hervorzuheben. ' '
Freuen wir uns, daß wir eine Schule haben, die ihre Aufgabe so ernst
nimmt. Mögen sich die jungen Leute in ihrer weiteren Entwicklung auch
noch so wandeln, sie werden einen gediegenen Grund zur technischen und
seelischen Ausbildung gelegt haben.
Wer Entwicklung verfolgt und vertrauensvoll in der Seele junger Leute
zu lesen vermag, der wird hier die Keime der Zukunft gewahren, und so können
wir die Ausstellung mit dem beruhigenden Gefühle verlassen, daß in ihr
nicht zufällig mehr oder weniger gelungene Werke mehr oder weniger
begabter Schaffender vereinigt sind, sondern daß es sich hier um eine grund-
legende Arbeit handelt, deren Früchte, wie gesagt, zum großen Teile aller-
dings erst reifen müssen. Es wäre darum aber auch der größte Fehler, die
begonnene Tätigkeit jetzt einfach ruhen zu lassen.
Auch wird derjenige, der die wirklichen Verhältnisse auf dem kirchlichen
Kunstgebiete kennt, das Gebotene nicht zu wenig finden. Man mußte erst die
Künstler hervorsuchen, man mußte die äußeren Mittel auftreiben. Denn man
wollte vor allem Werke veranlassen, die wirklichen Zweck haben; daran lernt
der Schaffende ja am meisten. Und es wurde so eine ganze Reihe großer Auf-
gaben zustande gebracht, für die eine fast dreijährigeVorbereitungszeit eher zu
kurz als zu lang war. Man denke nur, was eine Altarwand von insgesamt
mehr als 8o Quadratmetern allein für Vorbereitung erfordert oder eine fast
ebenso große Altarnische, ein mächtiger Altar, eine große Kanzel oder ein