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Volltext: Monatszeitschrift XV (1912 / Heft 11)

Wie gesagt, die Kirche hat durch Jahrhunderte bewiesen, daß sie_ jede 
edle Form für geeignet hält, ihren ewigen Inhalt uns näher zu bringen; sie 
hat aber nie eine bestimmte Kunstforrn für die einzig richtige erklärt. Es 
wäre auch bedenklich; denn man zeigte damit gewissermaßen, daß der 
Mensch sich erst in eine bestimmte Zeit versetzen müsse, um wirklich kirchlich 
empünden zu können. 
Die Erstarrung der kirchlichen Kunst war nur vorübergehend und hat 
mit dem Wesen der Kirche nichts zu tun. Im Gegenteile, sie stammt aus 
dem Leben außerhalb der Kirche; sie hängt mit der teilweise mißverstan- 
denen historischen Auffassung des XIX. Jahrhunderts zusammen. Vor den 
Ewigkeiten des Göttlichen sind alle Formen vergänglich und wandelbar; es 
erscheint uns eher weltlich, bestimmten Menschenwerken Ewigkeitswert 
verleihen zu wollen. 
Bloß durch Ringen nach dem Schönen und Edlen, nicht durch scheinbar 
Erreichtes kann der Mensch dem Höchsten dienen. 
Das sind vielleicht die Gedanken, die bleiben werden, wenn man die 
Ausstellung bereits verlassen hat. 
AUS DEM WIENER. KUNST-LEBEN so.- 
HARTWIG FISCHEL-WIEN so 
VON 
ÜSSTELLUNGEN. Mit dem bunten Herbstlaub, das alle Gärten der Großstadt 
schmückte, stellte sich auch wieder die bunte Leinwand an den Wänden der Aus- 
stellungsräurne und Kunstsalons ein, die einen Saisonbeginn verkündet. 
Leider ist der Beginn nicht vielversprechend; die Lage der Wiener Künstlerver- 
einigungen, welche an der Entwicklung moderner Kunstbestrebungen tätigen Anteil haben, 
hat sich noch nicht gebessert; als freudiges Ereignis kann man nur eine höchst wertvolle 
Erhöhung der staatlichen Kunstkredite verzeichnen und den Verbleib des Direktors der 
Österreichischen Staatsgalerie an seiner wichtigen Stelle. Ein Verlust dieser so bedeutenden 
Kraft wäre ein schwerer Schlag für die in schöner Entwicklung begriffene Kunstsammlung 
und damit auch für das gesamte österreichische Kunstleben geworden. 
Dagegen hat aber die Galerie Miethke die Leitung durch Karl Moll verloren. Von dieser 
Stelle aus sind bisher der Wiener Kunstwelt viele wertvolle Genüsse geboten worden; der 
feine und impulsive Künstler hat es stets verstanden, den wahren Freunden ernster und 
edler Kunst bedeutungsvolle Anregungen, Belehrungen und Freuden zu verschaffen; er hat 
eine ungemein wichtige Rolle dabei gespielt, wenn es galt, unterschätzte Größen zu Ehren 
zu bringen, vielversprechende Begabungen zu fördern, disponible Schätze den Wiener 
Sammlungen zu sichern. Wenn er diese Wirksamkeit nun einschränkt, wird die Lücke 
schwer empfunden werden müssen, die eine so markante und einilußreiche Individualität 
durch ihr Zurückziehen hinterläßt. 
Den Reigen größerer Veranstaltungen hat die Wiener Künstlergenossenschah mit 
einer Herbstausstellung erölfnet. Es ist eine Revue, mit den bekannten Krähen veranstaltet. 
Aus dem Rahmen fallen aber zwei Kollektionen, von denen eine den einstigen Führer 
der Dachauer Gilde Ludwig Dill in seiner jetzigen Wirksamkeit repräsentiert. Dieser 
ausgezeichnete Theoretiker und kräftige, bewußte Vertreter einer eigenen Farben- 
anschauung breitet eine große Folge feintöniger, breithingesetzter Landschaiiten vor uns 
aus. Die vier Wände eines ansehnlichen Raumes sind ganz mit diesen aus einer
	        
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